Inhaltsverzeichnis
 (Zwischentitel und Inhaltsverzeichnis sind von Rolf Schaelike erstellt)

·         Urteil

      Gruende

o        Zur Person

o        Parteiverfahren, Parteiausschluss und fristlose Entlassung (1963-1966)

o        Freiberufliche Taetigkeit /Arbeit  im Kraftwerksbau/Handelsvertretung/ Institut fuer grafische Technik

·         Zum Verhalten und Charakter des Angeklagten

o        Keine aenderung des Verhaltens des Angeklagten

o        Einschaetzung der Person des Angeklagten

o        Aussagen des Zeugen, des Bruders Dr. Wolfgang Schaelike

o        Abzeichnen von Tendenzen

o        Gefaehrliche Ideen

o        Endlose Diskussionen

o        Kein Kontakt zum Bekanntenkreis

o        Politik der SED und des Staates weit von den Idealen entfernt

o        Bildung unanhaengiger Gewerkschaften

o        Staatsapparat - ein buerokratisches Gefuege

o        Demokratischer Zentralismus

o        Meinungsfreiheit

o        Ingenieur-technisches Personal Kraft fuer Veraenderungen

o        Selbstaussage – bin Marxist-Leninist

o        Verfassungsgemaess garantiertes Recht auf Meinungsaeusserung

o        Ausnutzung der Kontakte zu den Zeugen

o        Ausnutzung des Zeugen Wuttke

o        Berliner Appell

o        uebergabe von Buechern an den Zeugen Wuttke

o        Antrag auf staendige Ausreise aus der DDR seitens des Zeugen Wuttke

o        Aussagen des Zeugen Poetzsch

o        Zweifel des Angeklagten an der uebergabe der Buecher

§         Zeuge Krueger

§         Zeuge Jesch

§         Zeuge Pohl

§         Zeuge Gottschalk

§         Buecher vom Angeklagten erhalten

o        Zusammenarbeit mit dem Zeugen Gottschalk

o        Herabwuerdigung des Klaegers

o        Verneinung des Angeklagten

o        Ausreisantrag ist Verleumdung

·         Feststellungen

·         Einlassungen des Angeklagten

·         Aufgabe des Senats - Beweiswuerdigung

o        Subjektive Haltung

o        Besitz der Buecher und Kenntnis des Inhaltes

o        Zur Buecheruebergabe

o        Planmaessigkeit

o        § 106 StGB – Pruefung der Gueltigkeit

§         Schriften

§         Solschenizyn “Der Archipel Gulag”

§         Schriften “Vernehmungsprotokolle”, “Gedaechtnisprotokolle”, „Die Revolution entlaesst ihre Kinder“

§         Passagen aus den Buechern

§         Weitere Zitate aus den Schriften

§         Schrift Menschenrechte

§         Passagen aus der Schrift “Menschenrechte - ein Jahrbuch fuer Osteuropa”

§         Schrift “Verantwortlich fuer Polen”

§         Buch “Ein Traum, der nicht entfuehrbar ist. Mein Weg zwischen Ost und West

§         Passagen aus dem Buch “Ein Traum, der nicht entfuehrbar ist. Mein Weg zwischen Ost und West”

§         Wertung

§         Weitergabe der Schriften

§         Staatsfeindliche Zielstellung

§         Tatbestand erfuellt

§         Mitarbeit am selbstverfassten Interview von Juergen Gottschalk

§         Schreiben vom 9.3.1984 an Stadtbezirks Dresden-Mitte

§         Staatsfeinliche Hetze - Tatmehrheit

§         Tatmehrheit

§         Hohe Gesellschaftgefaehrlichkeit

Enscheidungen

o        Auslagenentscheidung

o        gezeichnet

 


Urteil Bezirksgericht - Dresden - 1984

Bezirksgericht Dresden

BS 2884
211 17084

Urteil

im Namen des Volkes

in der Strafsache

gegen

den freischaffenden Sprachmittler

Rolf Schaelike

wohnhaft, 8010 Dresden, Grunaer Str. 41,

PKZ 13093822845,

Staatsbuerger der Deutschen Demokratischen Republik

seit dem 20. Maerz 1984 in Untersuchungshaft in der UHA
Dresden, Bautzner Str.

wegen staatsfeindlicher Hetze u.a.

hat der Senat des Bezirksgerichts Dresden in der Hauptverhandlung am 19., 20., 21., 28. November und Dezember 1984 an der teilgenommen haben:

Richter Hettmann
als Vorsitzender

Meister Gaek
wissenschaftl. Mitarb. Enzmann
als Schoeffen

Staatsanwalt Frau Rauer
als Anklagevertreter

Rechtsanwalt Worner
als Verteidiger,

Rechtsanwalt Kluge
in Untervollmacht fuer Rechtsanwalt Dr. Vogel Berlin
als Verteidiger

Justizprotokollant Frau Danch
als Protokollfuehrer

fuer Recht erkannt

Der Angeklagte wird wegen planmaessiger staatsfeindlicher Hetze Verbrechen gemaess §§ 106 Abs. 1 Ziff . 2 Abs 2, 108, 63 Abs. 2 StGB - in Tatmehrheit mit oeffentlicher Herabwuerdigung, Vergehen gemaess § 220 Abs. 2 StGB - und Beihilfe zur oeffentlichen Herabwuerdigung, Vergehen gemaess §§ 220 Abs. 2, 22 Abs 2 Ziff 3, 63 Ab 2 StGB - zu einer Freiheitsstrafe von

7 sieben Jahren

verurteilt

gemaess § 56 StGB werden eingezogen:

-        1 Buch “Der Archipel Gulag” von Solschenizyn

-        1 Buch “Gedaechtnisprotokolle” von Fuchs

-        1 Buch “Vernehmungsprotokolle” von Fuchs

-        1 Buch “Verantwortlich fuer Polen” von Boell, Duwe und Steack

-        1 Buch “Ein Traum, der nicht entfuehrbar ist. Mein Weg zwischen Ost und West” von Brandt.

Die Auslagen des Verfahrens werden dem Angeklagten auferlegt.

Gruende:

Zur Person

Der 46jaehrige Angeklagte stammt aus einer fortschrittlichen Familie. Die Eltern waren seit 1921 Mitglieder der KPD und arbeiteten im Auftrage der Partei schon vor der Errichtung der faschistischen Diktatur in der Sowjetunion, um dort in der Komintern den deutschsprachigen Verlag mit aufzubauen. Dort wuchsen der Angeklagte, sein Bruder, der jetzt Offizier der NVA ist, und seine Schwester, die jetzt noch als Dozent an der Universitaet in Frunse arbeitet, als Kinder auf. Seinen in Moskau begonnenen Schulbesuch beendete der Angeklagte in der DDR mit dem Erwerb des Abiturs im Jahre 1956. Er studierte dann bis 1961 in Moskau und Leningrad und beendete das Studium als Diplomphysiker. Danach nahm er eine Taetigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentralinstitut fuer Kernforschung Rossendorf auf. Von 1958 -1960 war er Kandidat und dann Mitglied der SED. Dadurch war sein Engagement fuer die gesellschaftliche Entwicklung der DDR erkennbar. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.

Parteiverfahren, Parteiausschluss und fristlose Entlassung (1963-1966)

Wegen parteischaedigenden Verhaltens wurde er 1963 im Ergebnis eines Parteiverfahrens mit einer strengen Ruege belegt und nach weiteren Auseinandersetzungen, aus denen er keine Lehren gezogen hatte, im Jahre 1966 aus der Partei ausgeschlossen. Ausserdem erfolgte anschliessend seine fristlose Entlassung aus dem Zentralinstitut.

Freiberufliche Taetigkeit /Arebeit  im Kraftwerksbau/Handelsvertretung/ Institut fuer grafische Technik

Er arbeitete dann bis 1968 als freischaffender uebersetzer und Dolmetscher fuer Russisch. Die Gesellschaft gab ihm die Moeglichkeit, danach als Bauleiter im VEB Kraftwerksanlagenbau auf der Kraftwerksbaustelle Tierbach zu arbeiten und anschliessend bis 1971 als Mitarbeiter der Handeisvertretung in der UdSSR taetig zu sein. Wegen betrieblicher Veraenderungen war er von 1971 bis 1973 im Institut fuer grafische Technik als wissenschaftlicher Mitarbeiter eingesetzt.

Keine aenderung des Verhaltens des Angeklagten

Da der Angeklagte keine aenderung in seinem Verhalten zeigte, indem er weiter gegen die Politik und Regierung auftrat, kam es 1973 zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Seit diesem Zeitpunkt ist der Angeklagte als freischaffender Sprachmittler der russischen Sprache taetig.

Einschaetzung der Person des Angeklagten

Obwohl der Angeklagte sowohl im Elternhaus als auch im sowjetischen Kindergarten und dann in der Schule im kommunistischen revolutionaeren Sinne erzogen wurde und er in seinen Eltern Vorbilder hatte, wie Kommunisten denken und handeln, so dass ihm alle Entwicklungsmoeglichkeiten offen standen, nahm er diese Moeglichkeiten nicht wahr, sondern begann sich andere Positionen und Haltungen zu schaffen, die ihn immer mehr zur Konfrontation mit der Politik von Partei und Regierung der DDR brachten.

Aussagen des Zeugen, des Bruders Dr. Wolfgang Schaelike

So aeusserte er bei den vielen ideologischen Auseinandersetzungen, die sein Bruder, der Zeuge Dr. Wolfgang Schaelike mit ihm fuehrte, u.a. die Auffassung, dass die .Physik die einzige und wahre Wissenschaft sei, er allein Vorschriften machen koenne und alle anderen nicht urteilsfaehig waeren. Er nahm fuer sich in Anspruch, andere kritisieren zu koennen, nahm selbst keine Kritik an und aenderte sein Verhalten nicht. Seine revisionistischen Auffassungen entbehrten jeder Konstruktivitaet und Grundlage und er versuchte, andere auf seinen Standpunkt zu ziehen und sie auf Positionen gegen die Politik von Partei und Regierung in der DDR und der UdSSR zu bringen. In wichtigen marxistisch-leninistischen Fragen vertrat er Meinungen, die eines Mitglieds der SED unwuerdig waren. So hatte er zu Fragen der Ausuebung der Macht unwissenschaftliche revisionistische Gedanken in der Art, dass in Partei und Regierung alles Dogmatiker sitzen wuerden und dass die Demokratie viel weiter ausgestaltet werden sollte. Seine Ideen waren die, dass ueberall alle moeglichen Gedanken geaeussert werden duerfen, sich also auch in Massenmedien Leute zu Wort melden, die nicht auf dem Boden des Marxismus-Leninismus stehen und damit verhindert werden wuerde, dass die Parteipresse in der DDR luege.

Abzeichnen von Tendenzen

Es zeichneten sich bei ihm Tendenzen ab, dass er unwissenschaftlich an die Begriffe der Weltanschauung heranging. Der Zeuge glaubte zunaechst noch, dass der Angeklagte lediglich durch eine unmarxistische Betrachtungsweise von Ereignissen zu falschen Schlussfolgerungen gelangt ist. In der Folgezelt stellte sich aber heraus, dass er absichtlich diese Haltungen verbreitete und nach den Eindruecken des Zeugen, vorsaetzlich ins Lager des Gegners uebergewechselt ist. Der Zeuge kam zu diesen Schlussfolgerungen, weil der Angeklagte seinen Parteiausschluss nicht zum Anlass nahm, um daraus entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Er ignorierte alle Hinweise und nahm damals Verbindung zu Biermann und Havemann auf. Aus frueheren Gespraechen ist dem Zeugen bekannt, dass der Angeklagte prinzipiell zu solchen wichtigen Fragen des sozialistischen Aufbaues, wie

-        der Ausuebung der Macht durch die Diktatur des Proletariats,

-        der fuehrenden Rolle der SED,

-        dem Aufbau der Staatsmacht und der sozialistischen Demokratie,

-        sowie den Buendnisbeziehungen mit der Sowjetunion und dem proletarischen Internationalismus (CSSR, VRP)

gefaehrliche Auffassungen vertrat und diese in der oeffentlichkeit kundtat.

Gefaehrliche Ideen

Es handelte sich dabei um solche Ideen, dass im Sozialismus jeder ueberall auch gegnerische Gedanken aeussern kann und dass man ueber Fehler in der Vergangenheit bis zur Selbstzerfleischung reden muesse, dass es eine uneingeschraenkte Rede- und Pressefreiheit auch fuer gegnerische Elemente geben muesse, dass die SED keinen Fuehrungsanspruch geltend machen duerfe und dass die Niederschlagung der konterrevolutionaeren Ereignisse 1968 in CSSR seitens der sozialistischen Laender und vor allem der Sowjetunion eine Okkupation darstellen wuerde.

Endlose Diskussionen

Die Mutter des Angeklagten, der Freundeskreis des Zeugen und der Zeuge selbst fuehrten mit dem Angeklagten endlose Diskussionen zu dieser Zeit und machten ihn darauf aufmerksam, dass er eine verhaengnisvolle Entwicklung nimmt. Ihm war bekannt, dass sich seine Aktivitaeten gegen die Interessen der DDR richten und er ins Lager des Feindes uebergelaufen ist. Als die Mutter des Angeklagten 1977 beigesetzt wurde, brachte er der 10 Jahre aelteren und in Frunse wohnhaften Schwester gegenueber die Befuerchtung zum Ausdruck, dass er wegen seiner Aktivitaeten festgenommen werden koennte. Er berichtete ihr, dass einer seiner Freunde, der gleiche Aktivitaeten entwickelte, festgenommen wurde. Auch das war offenbar fuer ihn nicht Anlass, sich eines besseren zu besinnen, denn er griff alle Oppositionsgedanken auf und verbreitete diese. Er glaubte auf dem Gebiet der marxistischen Philosophie unteilsfaehig zu sein und beschaeftigte sich nur mit solchen Leuten, die irgendwie einmal mit der Arbeiterbewegung in Verbindung standen, sich von dieser aber losgeloest haben. Er hat sich nur mit Dingen beschaeftigt, mit denen er glaubt, dem Sozialismus Fehler nachzuweisen, die Veraenderungen hervorrufen koennten.

Kein Kontakt zum Bekanntenkreis

Der Zeuge hat festgestellt, dass der Angeklagte keinen Kontakt zum Bekanntenkreis des Zeugen in Sowjetunion hatte, sondern ueber seine erste Frau zu Personen Verbindung aufnahm, die nicht auf dem Boden des Sozialismus stehen. Dem Angeklagten war genau bewusst, wie er sich in welchem Personenkreis zu verhalten hat. Er hat in den letzten Jahren differenziert, wenn er sich bei den Bekannten des Zeugen aufhielt, Zurueckhaltung zu ueben und nicht offen ueber feindliche Auffassungen zu diskutieren. Der Zeuge Wolfgang Schalike brachte abschliessend zum Ausdruck, dass der Angeklagte offenbar in dem Wahn lebt, der wirkliche Ideologe einer sozialistischen Revolution zu sein, d.h. eine Ideologie zu entwickeln, wie der Sozialismus seiner Meinung nach errichtet werden muss. Fuer Ihn sind alle die, die den Sozialismus aufbauen, Karrieristen und Leute, die Ihres eigenen Vorteils wegen, diese Ideen vertreten. Dem Angeklagten ist es eigen, dass er Fehler die gemacht wurden, und die es zum Teil auch gilbt, herausgreift, unlaessig verallgemeinert und sich mit keinem Kollektiv auseinandersetzt. Als sich der Angeklagte 1976 von seiner ersten Frau aus dem Zeugen unbekannten Gruenden scheiden liess, sagte er einmal zur Ehefrau des Zeugen, dass die erste Ehefrau ihn auf die falsche Faehrte gebracht hat. Nach der Scheidung und im Zusammenhang mit dem Kannenlernen seiner jetzigen Ehefrau trat bei ihm zunaechst Ruhe ein und der Zeuge hatte auch den Eindruck, dass der Angeklagte sich mehr um die Familie kuemmerte und politisch kuerzer trat. Vor etwa .3 Jahren aber seien seine Beziehungen zur geschiedenen Frau wieder enger geworden.

Politik der SED und des Staates weit von den Idealen entfernt

Dass diese Aussagen des Zeugen nicht in Zweifel zu ziehen sind, bestaetigen die Aussagen weiterer Zeugen, die den Angeklagten zwar nicht so genau kennen, wie es bei dem Bruder der Fall war, die aber mit anderen Worten den Angeklagten aufgrund der mit ihm gefuehrten Gespraeche zitieren und damit seine Grundpositionen charakterisieren. So aeusserte der Zeuge Gottschalk, dass der Angeklagte generell die Politik der SED nicht vertritt. Die gegenwaertige Politik der SED und der Regierung der DDR seien aus der Sicht des Angeklagten und des Zeugen weit von den Idealen, die durch die KPD einmal vertreten wurden, entfernt. Der sozialistische Staat gebraucht seine Macht, um die Rechte der Buerger um ein Vielfaches einzuschraenken und sie zu diskriminieren.

Bildung unanhaengiger Gewerkschaften

Der Zeuge Wuttke, der den Angeklagten durch seine berufliche Taetigkeit in dessen Wohnung etwa Ende 1981 bzw. Anfang 1982 kennengelernt hatte und danach freundschaftliche Beziehungen zu ihm unterhielt, hat ausgesagt, dass der Angeklagte mit der Politik der Partei nicht einverstanden war, dass es gleiche Meinungen des Zeugen und des Angeklagten dazu gab, freie Gewerkschaften zu bilden, da die Gewerkschaften bei uns von der SED diktiert werden.

Staatsapparat sei ein buerokratisches Gefuege

Der Staatsapparat sei ein buerokratisches Gefuege, wobei auch der Ausdruck “Politbuerokratie” gebraucht wurde. Der Angeklagte sprach darueber hinaus ueber Veraenderungen im pluralistischen Sinne. Bei Gespraechen ueber die Sowjetunion habe es beiderseits die Auffassung gegeben, dass sich die DDR viel von der Sowjetunion diktieren lasse.

Demokratischer Zentralismus

Der Angeklagte hat weiter die Meinung geaeussert, dass ein “ganz normaler Zentralismus” aufgebaut werden muessen, der laut Statut vorgegeben sei, jedoch vom Zentralkomitee nicht eingehalten werde. Notwendig waere eine breite Einflussnahme auf die SED. Die Ereignisse in Polen seien beispielhaft fuer die DDR. Er habe begruesst, dass sich in Polen die Gewerkschaften unabhaengig gemacht haben. Der Angeklagte habe fuer die DDR eine “kommunistische Gesellschaftsordnung” gewollt, die demokratischer und pluralistischer als jetzt sei. Er lehnte das Zentralkomitee, die Kombinate und die Diktatur des Proletariats ab.

Meinungsfreiheit

In seiner Aussage charakterisierte der Zeuge Poetzsch den Angeklagten als einen unzufriedenen Menschen, der zu viel kritisiert. Seine negierende Haltung bezog sich auf die “Meinungsfreiheit”, auf mangelnde “Informationsmoeglichkelten” sowie darauf, dass man die Grenzen der DDR nicht ohne weiteres legal verlassen koenne. Der Angeklagte habe die Erscheinungsformen des Staates abgelehnt und davon gesprochen, dass in der DDR nicht der wahre Sozialismus aufgebaut wird und Veraenderungen von unten nach oben erfolgen muessten.

Ingenieur-technisches Personal Kraft fuer Veraenderungen

Eine besondere Bedeutung fuer Veraenderungen sah der Angeklagte im ingenieur-technischen Personal. Der Angeklagte habe, wie der Zeuge Krueger ausfuehrte, immer Einzelerscheinungen aus dem gesellschaftlichen Leben der DDR und anderer sozialistischen Laender herausgegriffen, diese kritisiert, nichts im Zusammenhang sehen wollen und auch nicht das grosse Ganze betrachtet. Desweiteren stellte der Angeklagte die Behauptung auf als ueber die Aufruestung gesprochen wurde, dass die Gruende im Expansionsbestreben der USA und der UdSSR zu sehen sind.

Selbstaussage – bin Marxist-Leninist

Die hierzu wiederholt vom Angeklagten abgegebenen Erklaerungen und die in seiner Vernehmung zur Person und zur Sache gemachten Aussagen, die insgesamt darin muenden, dass er auf dem Boden des Marxismus-Leninismus stehe und dass er ein kritischer Marxist und Kommunist sei, werden aufgrund der von den Zeugen getroffenen Aussagen, die in wesentlichen Teilen vom Inhalt her uebereinstimmen, nicht bestaetigt, obwohl er sich stets als Marxist ausgab.

Verfassungsgemaess garantiertes Recht auf Meinungsaeusserung

Die aeusserungen des Angeklagten den Zeugen gegenueber haben nichts mehr dem verfassungsgemaess garantiertem Recht auf freie Meinungsaeusserung zu tun, was dem Angeklagten bei seinem Wissensstand auch gelaeufig sein sollte. Der Angeklagte hat sich damit bewusst Positionen zu eigen gemacht, die als staatsfeindlich zu werten sind.

Ausnutzung der Kontakte zu den Zeugen

Ausgehend von dieser Grundhaltung nutzte der Angeklagte die Kontakte zu den Zeugen, um mit Ihnen ins Gespraech zu kommen, ihnen zunaechst seine proletarische Herkunft darzulegen und sich mit seinen Berichten ueber das kommunistische Elternhaus und sein Wissen ueber die Sowjetunion in das rechte Licht zu setzen und Endruck zu erzielen. Zumeist erst dann, wenn ihm bei Gespraechen ueber politische Tagesfragen durch die Reaktion dieser Buerger klar geworden war, dass sie nicht fest auf dem Boden der DDR standen, legte er Ihnen seine Auffassungen zur sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR, zur Politik der Partei der Arbeiterklasse, zum Verhaeltnis zur Sowjetunion und anderer Laender der sozialistischen Staatengemeinschaft dar; Auffassungen wie sie bereits hinsichtlich der Zeugen Gottschalk, Wuttke, Poetzsch und Krueger genannt wurden.

Ausnutzung des Zeugen Wuttke

Als der Zeuge Wuttke Ende 1981 bzw. Anfang 1982 in der Wohnung des Angeklagten Installationsarbeiten ausfuehrte kam es waehrend der Pausen zu derartigen Gespraechen. Der Zeuge sah in der Wohnung des Angeklagten Presseerzeugnisse aus der BRD, wie die Zeitschriften “Stern” und “Spiegel”, die er sich auslieh. Er stellte auch fest, dass der Angeklagte ueber eine Buechersammlung verfuegte und da er sich selbst fuer Literatur interessierte, haendigte ihm der Angeklagte im Wechsel eine Anzahl von Buechern aus. Dazu suchte der Zeuge wiederholt die Wohnung des Angeklagten auf.

Berliner Appell

Etwa im Maerz 1982 zeigte ihm der Angeklagte den sogenannten Berliner Appell. Nachdem sich der Zeuge dem Angeklagten gegenueber auf Grund der Aufforderung des Angeklagten bereit erklaert hatte selbst zu unterzeichnen und weitere Unterschriften zu sammeln, haendigte ihm der Angeklagte zwei Exemplare aus, worauf der Zeuge etwa 30 Unterschriften sammelte.

uebergabe von Buechern an den Zeugen Wuttke

Da der Angeklagte inzwischen die gegen die DDR gerichtete Einstellung des Zeugen erfahren hatte, haendigte er ihm im Herbst 1983 auf dessen Wunsch die Schrift von Solschenizyn “Der Archipel Gulag” aus. Dabei erlaeuterte der Angeklagte im groben, worum es inhaltlich ging. Spaeter, etwa Anfang 1984, empfahl er dem Zeugen die beiden Schriften von Fuchs “Gedaechtnisprotokolle” und “Vernehmungsprotokolle”, die er dem Zeugen gegenueber als interessant darstellte. Bei diesem Gespraech war die Ehefrau des Angeklagten zugegen, die dem Zeugen auftragsgemaess beide Schriften aushaendigte, nachdem der Angeklagte aus nicht mehr bekannten Gruenden vorzeitig die Wohnung verlassen musste. Vorher hatte der Angeklagte noch darauf aufmerksam gemacht, die Buecher nicht weiterzugeben, da Schwierigkeiten entstehen koennten. Die beiden Schriften von Fuchs wurden beim Zeugen beschlagnahmt. Neben dem genannten Ratschlag hatte der Angeklagte noch geaeussert, der Zeuge solle die Buecher nicht jedem geben. ueber den Inhalt der Buecher wurden spaeter Gespraeche gefuehrt, wobei der Zeuge den Eindruck gewann, dass der Angeklagte hinter dem Inhalt der Buecher steht.

Antrag auf staendige Ausreise aus der DDR seitens des Zeugen Wuttke

Da der Angeklagte von dem vom Zeugen gestellten Antrag auf staendige Ausreise aus der DDR Kenntnis erlangt hatte, gab er dem Zeugen den Rat, fuer die DDR keinen Nutzen mehr zu bringen. Der Zeuge sollte seine Mitgliedschaft in der PGH kuendigen, weil dann der Ausreiseantrag eher bearbeitet werden wuerde. Auf Anraten des Angeklagten sollte der Zeuge auch seine Meinung gegen Missstaende darlegen. Fehler aufzeigen, mit den Kollegen darueber sprechen. Er sollte auch im Blockhaus (Haus der DSF) in einer DSF-Veranstaltung auftreten und ueber Missstaende in der Sowjetunion sprechen. Dazu kam es infolge der Verhaftung des Zeugen nicht mehr.

Aussagen des Zeugen Poetzsch

Der Zeuge Poetzsch lernte den Angeklagten Ende 1981, Anfang 1982 beim Zeugen Pohl kennen. Pohl hatte Poetzsch darauf hingewiesen, dass der Angeklagte interessiert waere. Der Angeklagte erzaehlte ueber sein Leben und teilte dem Zeugen mit, dass er die vom Zeugen Poetzsch verfassten und in kirchliche Veranstaltung gesungenen Lieder kenne. Als Massstab galten fuer Poetzsch die Lieder von Biermann. Vom Inhalt her drueckten sie die Unzufriedenheit mit der gesellschaftlichen Entwicklung in der DDR aus. Als der Zeuge im September 1982 zur Abteilung K bestellt und ihm klaergemacht worden war, sein oeffentliches Auftreten zu unterlassen, akzeptierte er dies. Gleichzeitig distanzierte er sich vom Angeklagten, da dieser auf den Zeugen einen negativen Einfluss ausuebte. Da der Angeklagte zuvor stark an dem Zeugen Poetzsch interessiert war, da dieser seine Unzufriedenheit ueber die gesellschaftliche Entwicklung zum Ausdruck gebracht hatte, uebergab er dem Zeugen die Schriften “Archipel Gulag”, “Die Revolution entlaesst ihre Kinder” und “Ein Traum, der nicht entfuehrbar ist. Mein Weg zwischen Ost und West”. Zum Inhalt erklaerte der Zeuge, dass die Buecher mit den Interessen der DDR und der anderen sozialistischen Staaten nicht vereinbar sind. Da der Zeuge wegen seiner Liedertaetigkeit aus der Partei ausgeschlossen worden war, riet der Angeklagte ihm zur Bezirksleitung der SED und zur Staatssicherheit zu gehen. Nach Meinung des Angeklagten sollte der Zeuge Poetzsch versuchen, mit seinen Liedern in staatlichen Einrichtungen und in Kirchen aufzutreten, um sie zu verbreiten. Der Zeuge sollte jede Moeglichkeit nutzen, um aufzutreten und oeffentlichkeit zu haben.

Zweifel des Angeklagten an der uebergabe der Buecher

Aufgrund vom Angeklagten vorgebrachter Zweifel, die Buecher von ihm erhalten zu haben, erklaerte der Zeuge eindeutig und ueberzeugend nur Buecher vom Angeklagten ausgeliehen zu haben. Die uebergabe der Buecher erfolgte 1982. Die Schriften “Die Revolution entlaesst ihre Kinder” und “Ein Traum, der nicht entfuehrbar ist. Mein Weg zwischen Ost und West” gab ihm der Angeklagte als sich beide ueber die Gruendung der DDR unterhalten hatten. Dazu hatte der Angeklagte erklaert, dass das Wissen des Zeugen darueber nicht die Wahrheit wiedergibt und er sich ueber diese Zeit (Gruendung der DDR) anhand der Buecher solcher Autoren informieren sollte, die einmal in der kommunistischen Bewegung fuehrende Persoenlichkeiten waren, sich in der Sowjetunion in der Emigration befanden dann in die sowjetische Besatzungszone zurueckkehrten, hier Aktivitaeten entwickelten und schliesslich in Widerspruch zur sozialistischen Entwicklung gerieten, weil sie mit dem von der Sowjetunion und der SED ausgeuebten Druck nicht klar kamen, keiner Diktation unterwarfen, und schliesslich die DDR verliessen.

Zeuge Krueger

Der Zeuge Krueger lernte den Angeklagten Ende 1982 bzw. Anfang 1983 bei einem Bergfilmabend in Thueringen kennen. Beide hatten gemeinsame Interessen fuer Alpinistik und es sollte eine Pamir-Tour fuer den Sommer 1983 vorbereitet werden. Beide trafen sich vor und nach der Tour einige Male. Waehrend der Expedition berichtete der Angeklagte ueber seine Entwicklung.
Der Zeuge stellte dabei fest. dass der Angeklagte jede Gelegenheit wahrnahm, um ueber politische Dinge zu sprechen. Der Angeklagte aeusserte dabei, dass er das Ziel verfolgt, den Sozialismus in der DDR und in anderen sozialistischen Laendern zu reformieren und zu verbessern, da er nicht den Lehren der Klassiker entspricht. Bei dieser Tour bekundete der Zeuge sein Interesse fuer Literatur, die man in der DDR nicht zu kaufen bekommt. Als sich die Teilnehmer der Tour im Herbst 1983 in Luebbenau trafen, uebergab der Angeklagte dem Zeugen vier Buecher in einem Netz verpackt, worunter sich die Schrift “Ein Traum, der nicht entfuehrbar ist. Mein Weg zwischen Ost und West” befand. Bei der Rueckgabe der Buecher an den Angeklagten vergass der Zeuge dieses Buch, so dass es bei ihm sichergestellt werden konnte.

Zeuge Jesch

Der Zeuge Jesch kennt den Angeklagten seit 1981 oder 1982. Jesch hatte Schwierigkeiten mit der zustaendigen Dienststelle der Zollverwaltung der DDR wegen unerlaubter Verwendung von Domain-Art-Erzeugnissen und eines deshalb gegen ihn durchgefuehrten Ordnungsstrafverfahrens. Der Angeklagte wollte ihm bei der Beseitigung dieser Schwierigkeiten helfen und wandte sich deshalb auch weiter, erhielt aber abschlaegigen Bescheid. Beim Aufenthalt des Zeugen in der Wohnung des Angeklagten Ende 1982 oder Anfang 1983 sah der Zeuge eine Schallplattenhuelle einer Schallplatte von Biermann, wofuer er sich interessierte. Der Angeklagte uebergab ihm mehrere Platten und brachte bei der weiteren Unterhaltung seine negative Einstellung zu vielen gesellschaftlichen Problemen in der DDR und in den sozialistischen Laendern zum Ausdruck. Er informierte den Zeugen ueber den Besitz von Buechern, deren Weitergabe in der DDR verboten ist und die ausserhalb der DDR verlegt worden sind. Danach uebergab er dem Zeugen zwei Buecher, und zwar “Verantwortlich fuer Polen” und “Menschenrechte – ein Jahrbuch fuer Osteuropa” mit dem Bemerken, die Buecher zur Verdeutlichung seiner Auffassung mal durchzulesen. Weiter aeusserte er, die Buecher nicht weiter zu verbreiten und keinem anderen zu geben Als Grund fuer diese Hinweise nahm der Zeuge an, dass sich der Inhalt gegen die Interessen der sozialistischen Staaten richtet und die Weitergabe deshalb strafbar ist. Die Buecher hat der Zeuge etwa 4 Wochen spaeter zurueckgegeben, nachdem er sie gelesen hatte. Der Zeuge bleibt auch nach Vorhalt des Angeklagten bei seiner Meinung, die Buecher vom Angeklagten erhalten zu haben, weil er von anderen Buergern keine Buecher ausgeliehen hat.

Zeuge Pohl

Mit dem Zeugen Pohl ist der Angeklagte seit zwei Jahren bekannt. Der Angeklagte war dem Zeugen durch einen Diskussionsbeitrag anlaesslich einer kirchlichen Veranstaltung aufgefallen, wonach dann die Adressen ausgetauscht wurden. Beide haben sich innerhalb dieses Zeittraumes 15 - 20-mal getroffen. Auch dabei wurden Gespraeche gefuehrt, ueber deren Inhalt sich der Zeuge nicht weiter auslaesst. Er kann sich aber erinnern, dass es um Glaubens- und Ruestungsfragen sowie um den Pazifismus ging. Der. Zeuge wunderte sich ueber die Meinung des Angeklagten, weil er ihm gesagt hatte, Marxist zu sein. Vom Angeklagten erhielt der Zeuge die Schriften von Fuchs “Vernehmungsprotokolle” und “Gedaechtnisprotokolle” etwa 1 – 1 ½ Jahre nach dem Kennenlernen.

Zeuge Gottschalk

Der Zeuge Gottschalk ist mit dem Angeklagten seit 1982 bekannt. Der Angeklagte half dem Zeugen in dessen Druckerei. Dabei stellten sie fest, dass ihre gesellschaftspolitischen Anschauungen uebereinstimmten. Beide hatten einen grossen Bekanntenkreis, wobei es sich um Personen handelt, die unzufrieden sind, zum Teil wegen bestimmter Erscheinungen und die in “bestimmten Phasen einen Nenner” hatten. Da der Zeuge meinte, dass aus der Presse zu wenig ueber die Ereignisse in Polen zu erfahren war, uebergab ihm der Angeklagte die Buecher “Verantwortlich fuer Polen” und “Menschenrechte - ein Jahrbuch fuer Osteuropa”, damit er mehr darueber erfahren kann. Beide haben dann spontan ueber die Buecher gesprochen. Der Zeuge erklaerte, dass er bei der Argumentation das mit verwendet, was er gelesen habe. So vertritt er die Auffassung, dass die Ereignisse in Polen anders sind, als in der Presse der DDR dargestellt wurden.

Buecher vom Angeklagten erhalten

Der Zeuge hat ausdruecklich darauf hingewiesen, dass er die Buecher vom Angeklagten erhalten hat. Das war im Fruehjahr oder Sommer 1983. An den Rueckgabezeitpunk kann er sich nicht mehr genau erinnern.

Zusammenarbeit mit dem Zeugen Gottschalk

Nachdem sich der Zeuge Gottschalk seit Mitte 1983 mit dem Gedanken getragen hatte, eine staendige Ausreise aus der DDR und uebersiedlung nach der BRD zu beantragen, entschloss er sich, mit einer besonderen Schrift zu dokumentieren, dass nicht er, sondern die Staatsorgane der DDR ihn letztlich gezwungen haben, einen Ausreiseantrag zu stellen. Dies sollte in Form eines fingierten Interviews erfolgen. Dieses Vorhaben unterbreitete er von Anfang an dem Angeklagten, der sich bereit erklaerte, ihn dabei zu unterstuetzen. Die vom Zeugen gefertigten Zwischenkonzepte wurden mit dem Angeklagten Satz fuer Satz an mehreren Tagen durchgesprochen, bis eine endgueltige uebereinstimmung zur Abfassung vorlag. Der Angeklagte wusste vom Zeugen, dass die zu druckenden Exemplare in der DDR in Umlauf gebracht werden sollten. Der Druckumfang der Schrift sollte sich auf 300 Exemplare belaufen. Etwa 30 - 50 Exemplare sollte der Zeuge mit dem Ziel der Verbreitung bei der von ihm erwarteten staendigen Ausreise aus der DDR mit in die BRD nehmen. Der dem Senat vorliegende erste Entwurf wurde vom Angeklagten nochmals durchgelesen, korrigiert und vom Inhalt her geringfuegig veraendert. Die mit Hilfe des Angeklagten hergestellten Aufzeichnungen beinhalteten Angaben zur beruflichen Entwicklung des Zeugen, zu seiner Taetigkeitsaufnahme als freiberuflicher Siebdrucker und die Behauptung, dass die Zuweisung eines Gewerberaumes von Beitritt zur NDPD abhaengig gemacht wurde, zu Massnahmen des Staates und die Aktivitaeten des Zeugen dagegen.

Herabwuerdigung des Klaegers

Dabei wurden solche herabwuerdigenden aeusserungen gebraucht, wie, dass die Entscheidung des Ministeriums fuer Kultur der DDR eine “Buerokratie der Kulturinstitutionen” sei, dass die staatliche Entscheidung das Konzept jener Verantwortlichen sei, die eine massgebliche Aktie an diesen Repressalien haben, dass es ihm durch die Taetigkeit der staatlichen Organe der DDR unmoeglich geworden war, in der DDR zu arbeiten, weshalb er gezwungen wurde, einen Antrag auf Entfassung aus der Staatsbuergerschaft der DDR zu stellen und in die BRD oder Schweiz auszureisen.

Verneinung des Angeklagten

Der Angeklagte verneint, dass er vom Zeugen darueber informiert worden sei, dass dieser eine Anzahl von 30 - 50 Stueck dieser Schrift in die BRD mitnehmen wollte. Die dazu vom Zeugen Gottschalk getroffene Aussage ist Aufgrund ihrer Widerspruechlichkeit und der letztendlichen Auffassung, dass er sich hierbei auch irren koenne, kein ausreichender Beweis fuer den Schuldvorwurf fuer den Angeklagtem, Beihilfe zur ungesetzlichen Verbindungsaufnahme geleistet zu haben. Der Senat schloss sich insoweit dem Vorbringen der Verteidigung an, dass der Tatbestand des § 219 Abs. 2 Ziff. 1 I.V. mit § 22 Abs. 2 Ziff 3 StGB nicht erfuellt ist. Da Tateinheit hinsichtlich der Beihilfe zur oeffentlichen Herabwuerdigung vorliegt, bedurfte es keines gesonderten Freispruches.

Ausreisantrag ist Verleumdung

Nachdem der Angeklagte Anfang Maerz 1984 vom VEB Robotron Karl-Marx-Stadt die Mitteilung erhielt, dass der Betrieb infolge anderer organisatorischer Regelungen von dem geplanten Dolmetschereinsaetzen des Angeklagten zuruecktreten und diese annullieren muesse, fasste er kurzfristig den Entschluss, einen Antrag auf staendige Ausreise zu stellen. Er fertigte deshalb am 9. Maerz in seiner Wohnung auf der Schreibmaschine ein Schreiben, das an den Rat des Stadtbezirkes Dresden-Mitte gerichtet war. In diesem behauptete er wahrheitswidrig, in der DDR jahrzehntelang persoenlich, beruflich und politisch entwuerdigt worden zu sein, weshalb er sich zu diesem Antrag entschieden habe. Dieses Schreiben gelangte von ihm auf dem Postweg zum Versand und erreichte auch den Empfaenger.

Feststellungen

Diese Feststellungen beruhen auf

-        den teilweisen Einlassungen des Angeklagten,

-        auf der auszugsweisen Verlesung der Urteile des Bezirksgerichts Dresden gegen Hesse – 1 BS 47 a/80

-        und gegen Wuttke – BS 20/84

-        auf der zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemachten, im einzelnen bereits genannten Buecher

-        und der auszugsweisen Verlesung
der Schriften
- “Ein Traum, der nicht entfuehrbar ist. Mein Weg zwischen Ost und West”,
- “Verantwortlich fuer Polen”
- “Menschenrechte – ein Jahrbuch fuer Osteuropa”,

-        der auszugsweisen Verlesung
- des Beschlagnahmeprotokolls (Pos. 104 und 106)
- sowie des Briefes von Warmbier an den Angeklagten vom 20.2.1982
- und des Antwortbriefes vom Angeklagten an Warmbier vom 28.4.1982.

Weiter wurden zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht,

-        der erste Entwurf des fingierten Interviews des Zeugen Gottschalk

-        und die endgueltige Fassung des Diapositivs

-        sowie der Brief des Angeklagten an den Rat des Stadtbezirkes Dresden-Mitte vom 9.3.1984.

-        Ausserdem wurden 11 in der Wohnung des Angeklagten beschlagnahmten Zettel und ein beschlagnahmtes Heft “Buecherverleih” zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht.

Es wurden die Zeugen

-        Wuttke

-        Poetzsch

-        Krueger

-        Jesch

-        Pohl

-        Gottschalk

vernommen.

Die fruehere Vernehmung des Zeugen Dr. Wolfgang Schaelike vor dem Untersuchungsorgan vom 24.5.1984 wurde verlesen.

Einlassungen des Angeklagten

Der Angeklagte bestreitet teilweise, einzelne der genannten Schriften in Besitz gehabt zu haben, so dass er sie habe gar nicht weitergeben koennen. Darueber hinaus bestreitet er zum Teil einzelne Schriften vom Inhalt her zu kennen. Im uebrigen betonte er immer wieder, soweit es zur uebergabe von Schriften gekommen sei, als ueberzeugter Marxist und Kommunist niemals die Absicht gehabt zu haben, die verfassungsmaessigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik angreifen oder die gesellschaftlichen Verhaeltnisse in der DDR und anderen sozialistischen Staaten diskriminieren zu wollen. Ihm sei es darum gegangen, dass andere Buerger durch das Lesen der Buecher argumentationsfaehig werden sollten und zwar im positiven Sinne. Er verneint grundsaetzlich subjektiv die ihm zur Last gelegten Tatbestaende erfuellt zu haben.

Aufgabe des Senats - Beweiswuerdigung

Bei der Beweiswuerdigung durch den Senat kam es deshalb darauf an, alle vorliegenden Beweismittel, sowohl im be- als auch in entlastender Hinsicht zu werten und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen.

Subjektive Haltung

Es entspricht den Tatsachen, dass der Angeklagte im Elternhaus und in der Schule eine kommunistische Erziehung genoss und sich zunaechst positiv fuer die sozialistische Gesellschaftsordnung in der DDR engagierte. Als er 1958 Kandidat der SED wurde, beantragte er von sich aus die Verlaengerung der Kandidatenzeit um ein weiteres Jahr. Im Verlaufe seiner Taetigkeit im Zentralinstitut fuer Kernforschung in Rossendorf vollzog sich jedoch ein fuer Ihn verhaengnisvoller Wandel, der schliesslich zum Ausschluss aus der SED fuehrte. Trotz staendiger Auseinandersetzungen im Familien- und Freundeskreis aenderte er sein Verhalten, das sein Bruder, der Zeuge Dr. Wolfgang Schaelike als gefaehrlich einschaetzte, nicht. Die Aussagen der Zeugen in der Hauptverhandlung, die mit ihren vorhergehenden Aussagen im Ermittlungsverfahren im Wesentlichen uebereinstimmen, wurden vom Senat aufgrund ihrer Eindeutigkeit nicht angezweifelt. Insbesondere auch deshalb nicht, weil sie unabhaengig voneinander lediglich mit anderen Worten und Details charakteristische Verhaltensweisen des Angeklagten wiedergaben. Die Aussagen widerlegen in der Regel sachlich und bestimmt die Argumentationen des Angeklagten. Sie werden teilweise noch durch objektive Beweismittel unterstuetzt. Daraus ist zweifelsfrei abzuleiten, dass der Angeklagte, der sich den Zeugen gegenueber staendig als Marxist ausgab, sich damit tarnte und Positionen bezogen hatte, die letztendlich als staatsfeindlich zu wuerdigen sind. Das ergibt sich aus den Inhalten der Gespraeche, wie sie eingangs des Urteils wiedergegeben wurden. Sie haben nichts damit zu tun, Kritik im positiven Sinne zu fuehren, sondern greifen die verfassungsmaessigen Grundlagen an und diskriminieren die gesellschaftlichen Verhaeltnisse. Nicht nur der Zeuge Wuttke stellte in Gespraechen mit dem Angeklagten fest, dass dieser eine gegen die Politik der SED und der Regierung der DDR gerichtete Auffassung vertrat. Dem Angeklagten ging es dabei darum, mit seinen Methoden von seinen Positionen aus, unter den Massen Einfluss zu gewinnen, diese gegen die Politik von Partei und Regierung zu wenden und Veraenderungen in der Gesellschaft herbeizuefuhren. Welche Veraenderungen gemeint waren, wurde eingangs dargelegt. Daraus ergeben sich ein Vorsatz und seine Zielsetzung. Die politisch negativen, antikommunistischen aeusserungen schliessen eine andere Wertung und Wuerdigung aus.

Besitz der Buecher und Kenntnis des Inhaltes

Soweit der Angeklagte die Weitergabe von Schriften bzw. die Kenntnis vom Inhalt einzelner Schriften bestreitet, ist im Gegensatz dazu davon auszugehen, dass es fuer den Senat keine Anhaltspunkte fuer Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen der Zeugen gibt. Dazu wird zunaechst auf die bereits vorgenommene Wuerdigung der Aussagen der Zeugen Bezug genommen. Darueber hinaus haben die Zeugen die konkreten Umstaende dargelegt, die den Angeklagten veranlassten, ihnen die jeweiligen Buecher auszuhaendigen bzw. auf Wunsch der Zeugen zu uebergeben. Bei den Zeugen zeigten sich in dieser Beziehung keinerlei Unsicherheiten auch nicht auf Vorhalt der Verteidigung bzw. des Angeklagten. Sie gaben bei der Vorlage der Schriften in der Beweisaufnahme sofort zu erkennen, dass es sich um die ausgehaendigten Titel handelte.

Zur Buecheruebergabe

Mit welchen Bemerkungen der Angeklagte die Bucher uebergab, wobei auch die zuvor gefuehrten politischen Gespraeche in Zusammenhang gebracht werden muessen, beweist, dass der Angeklagte jedes der uebergebenen Buecher vom Inhalt her kannte. Mit der uebergabe der Schriften verfolgte der Angeklagte das Ziel, diese Personen mit Meinungen der Verfasser vertraut zu machen und sie von der Richtigkeit derartiger Auffassungen zu ueberzeugen bzw. Zweifel an der Richtigkeit der Politik von Partei und Regierung zu verstaerken.

Planmaessigkeit

Die Verteidigung zweifelt an, dass der Angeklagte seine Handlungen planmaessig durchgefuehrt hat, weil er keine Auswahlmethoden angewandt hat, sondern alles sporadisch erfolgte. Der Senat hat dem gegenueber festgestellt, dass sich der Angeklagte ganz bestimmte Buecher auswaehlte, von denen er entweder genau wuesste, dass sie sich mit seinen Anschauungen identifizieren oder von denen er wegen persoenlicher Schwierigkeiten mit staatlichen Organen oder aufgrund allgemeiner Unzufriedenheit mit bestimmten Zustaenden erwarten konnte, dass sie zu aehnlichen Auffassungen politischer Art, wie er sie Ihnen gegenueber kundgetan hat, kommen werden. Wie festzustellen war, ging es ihm insbesondere um juengere Buerger, denen historische Tatsachen aus eigenem Erleben nicht bekannt waren. Die Planmaessigkeit zeigte sich auch darin, dass der Angeklagte vorgab, Marxist und Kommunist zu sein und von seinen Kenntnissen ueber die sowjetischen Verhaeltnisse Mitteilungen machte. Er haendigte die Schriften im Allgemeinen auch nicht sofort beim Kennenlernen aus, sondern erst zu Zeitpunkten, als er ihre politischen Haltungen kannte. Das Oberste Gericht hat dazu ausgefuehrt, dass planmaessige Durchfuehrung staatsfeindlicher Hetze insbesondere vorliegt, wenn Mittel ausgewaehlt und angewandt werden, die deutlich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen und das Erreichen einer der staatsfeindlichen Zielstellung entsprechenden Wirkung anstreben. Ein derartiges systematisches und zielgerichtetes Vorgehen ist beim Angeklagten deutlich erkennbar. Mit diesen Methoden strebte er das Erreichen einer der staatsfeindlichen Zielstellung entsprechenden Wirkung an. Dass erhebliche staatsgefaehrdende Auswirkungen herbeigefuehrt wurden, beweist konkret die Verurteilung des Zeugen Wuttke wegen staatsfeindlicher Hetze. Dem Handeln des Angeklagten liegt demzufolge Planmaessigkeit zugrunde. Durch die Weitergabe von Schriften in 13 Faellen an verschiedene Buerger hat der Angeklagte gegen die gesetzliche Bestimmung des § 106 Abs. 1 Ziff. 2 StGB sowie in Tateinheit gegen § 108 StGB verstossen. Nach § 106 Abs. 1 Ziff. 2 StGB - staatsfeindliche Hetze - wird bestraft, wer die verfassungsmaessigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR Angreift, indem er Schriften zur Diskriminierung der gesellschaftlichen Verhaeltnisse verbreitet.

§ 106 StGB – Pruefung der Gueltigkeit

Vom Senat war zu pruefen, inwieweit es sich bei den zur Anklage stehenden Schriften um solche im Sinne des § 106 Abs. 1 Ziff. 2 StGB, d.h. zur Diskriminierung der gesellschaftlichen Verhaeltnisse handelt.

Solschenizyn “Der Archipel Gulag”

Hinsichtlich der Schrift von Solschenizyn “Der Archipel Gulag” ist der diskriminierende Inhalt gerichtsbekannit. Insoweit war eine weitere Beweiserhebung nicht erforderlich.

Schriften “Vernehmungsprotokolle”, “Gedaechtnisprotokolle”, „Die Revolution entlaesst ihre Kinder“

Hinsichtlich der Schriften “Vernehmungsprotokolle”, “Gedaechtnisprotokolle” und “Die Revolution entlaesst ihre Kinder” wurden wie bereits ausgefuehrt, auszugsweise zwei Urteile des Bezirksgerichts Dresden verlesen. Sie enthalten Feststellungen zur Charakterisierung des Inhalts der Schriften. Daraus geht hervor, dass sie von ihrer gesamten Anlage her gegen die gesellschaftlichen Verhaeltnisse in der DDR gerichtet sind und Sozialismus sowie sozialistischer Staat als menschenfeindlich dargestellt werden.

Passagen aus den Buechern

Dies zeigen solche Passagen aus “Gedaechtnisprotokolle”, “Vernehmungsprotokolle” und “Die Revolution entlaesst ihre Kinder” wie

-        “wehrlose Opfer wuerden im Sozialismus von Institutionen drangsaliert”,

-        “der Sozialismus in der DDR sei von einer buerokratischen Sklerose befallen und muesse deshalb demokratisiert werden,

-        ein nichtoeffentlicher Beamtenapparat entziehe sich jeglicher Kontrolle, nehme alle Privilegien in Anspruch, setze die Verfassung ausser Kraft,

-        in der DDR herrsche keine Demokratie,

-        bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren sei der Einsatz vielfaeltiger Mittel erlaubt, um einen Sieg zu erringen,

-        Menschen wuerden gedemuetigt und Menschen menschenfeindlich behandelt,

-        psychischer Terror zur Erzielung von Gestaendnisbereitschaft wuerde entwickelt,

-        zur Rechtsfertigung dieser Taten werde ein gewisses juristisches Vokabular benoetigt und geschaffen,

-        die Partei und der Staat werden zu alles beherrschenden Instrumenten, um ihre Ziele gegen die Mehrheit des Volkes durchzusetzen.

-        Ansaetze einer machtvollen selbstaendigen antifaschistischen und sozialistischen Bewegung waeren zertruemmert worden

-        und der Apparat haette ueber die selbstaendigen Regungen der antifaschistischen links eingestellten Schichten des Volkes einen Sieg davongetragen,

-        die Wahlen im Oktober 1946 seien die ersten und letzten gewesen, bei denen die Waehler vor politischen Entscheidungen gestellt wurden,

-        die SED sein von der KPdSU abhaengig und ein Hilfsverband

-        und in der SED wuerde die Meinungsfreiheit unterdrueckt,

-        die fuehrenden Funktionaere der SED waeren keine Kommunisten, sondern nur diejenigen, die sich gegen die Unterordnung unter die Sowjetunion und die unmenschlichen Methoden gegen die Bespitzelung wehren.

Weitere Zitate aus den Schriften

Aus den weiteren drei Schriften werden auszugsweise Zitate verlesen.

Schrift Menschenrechte

In der Schrift “Menschenrechte - ein Jahrbuch fuer Osteuropa”

-        werden insbesondere die gesellschaftlichen Verhaeltnisse in den sozialistischen Laendern,

-        die fuehrende Rolle der marxistisch-leninistischen Parteien

-        die sozialistische Demokratie und

-        das bruederliche Buendnis mit der Sowjetunion

diskriminiert.

Passagen aus der Schrift “Menschenrechte - ein Jahrbuch fuer Osteuropa”

Das zeugen solche Passagen wie

-        “Die sozialistischen Laender koennten in ihrer gegenwaertigen Gestalt nur existieren, da sie die Menschenrechte missachten und die Menschen in ihren Freiheiten stark einschraenken, die Sowjetunion fuehrte 1953 in der DDR, 1956 in Budapest und 1968 in der CSSR Interventionen durch

-        und eine grundlegende aenderung der Situation koenne mit einer Veraenderung in der Sowjetunion zusammenfallen.

-        Der Sozialismus sei die Herrschaft einer habgierigen und unfaehigen Parteibuerokrale in Verbindung mit dem Terror der Tscheka,

-        die Partei- und Staatsfuehrungen haetten laengst jegliche Ideale und Prinzipien weggeworfen,

-        der Marxismus-Leninismus, der proletarische Internationalismus und die Bruederlichkeit waeren nur Phrasen.”

Schrift “Verantwortlich fuer Polen”

In der Schrift “Verantwortlich fuer Polen” werden insbesondere die sozialistische Demokratie, die fuehrende Rolle der marxistisch-leninistischen Parteien und das Bruederbuendnis mit der KPdSU diskriminiert. Das zeigen solche Stellen wie

-        Der Sozialismus ist nicht machbar solange er vom Weltkommunismus, dem Kreml abhaengig waere.

-        Die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Laender haetten ihre polizeilich-militaerischen Machtmittel gegen die Mehrheit des polnischen Volkes und seine Gewerkschaft eingesetzt.

-        Der Leninismus, dessen zentralistisches Wirtschaftssystem wuerden zur Verelendung fuehren

-        die Sowjetunion ersticke Freiheitsbewegungen im Keime

-        und setze die autoritaere Herrschaft durch

-        die sozialistischen Laender haetten sich durch verstaerkte Repressalien, Verhaftungen und Einweisungen in psychiatrische Anstalten auf solche friedlichen Ereignisse wie die Olympiade in Moskau und die KSZE-Nachfolgekonferenz in Madrid vorbereitet und so den Einmarsch in Afghanistan im Inneren abgesichert.

Buch “Ein Traum, der nicht entfuehrbar ist. Mein Weg zwischen Ost und West

Das Buch “Ein Traum, der nicht entfuehrbar ist. Mein Weg zwischen Ost und West” werden die sozialistische Entwicklung in der DDR, Massnahmen der staatlichen Organe und gesellschaftlichen Organisationen zum Schutze der sozialistischen Errungenschaften und die marxistisch-leninistische Partei diskriminiert.

Passagen aus dem Buch “Ein Traum, der nicht entfuehrbar ist. Mein Weg zwischen Ost und West”

Das zeigen folgende Passagen

-        Die DDR waere gegenueber der BRD der schlechtere Staat, da sie sich durch Mauer und Minenfeld von der Massenflucht schuetzen muesse

-        die Menschenrechte muessten erst hergestellt werden, um vom realen Sozialismus in der DDR sprechen zu koennen.

-        Die Vereinigung von KPD und SPD zur SED sei eine buerokratische Zwangsvereinigung gewesen, von der sowjetischen Besatzungsmacht bestimmt und habe zur voelligen Entartung der Partei gefuehrt

-        die SED waere eine Sattelitenpartei, die DDR ein Satellitenstaat

-        die Partei und Staatsfuehrung der DDR eine parasitaere, weitgehend fremd-nationale bestimmte Funktionaerskaste des “Sowjetsystems”,

-        der Sozialismus waere immer jeweils eine Ausbeutungs- und Unterdrueckuenigsgesellschaft des neuen Typs, eine historisch gesetzmaessige Nachholefom und Nachhilfeform der Industrialisierung in Entwicklungslaendern”.

Wertung

Diesen antisozialistischen und antikommunistischen, gegen die gesellschaftlichen Verhaeltnisse in der DDR und in den anderen sozialistischen Laendern, insbesondere in der UdSSR gerichteter Inhalt der vorgenannten Schriften hat der Angeklagte aufgrund seines Wissensstandes erkannt und bei der Weitergabe das Ziel verfolgt, diesen Inhalt anderen Personen bekannt zu machen. Saemtliche Machwerke sind als antisozialistische, antikommunistische Hetzschriften zu beurteilen.

Weitergabe der Schriften

Durch die Weitergabe dieser Schriften an andere Personen hat der Angeklagte dieselben verbreitet. Verbreiten im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung ist das Zugaengigmachen an einen bestimmten oder unbestimmten Personenkreis durch den Taeter. Dies ist durch das Handeln des Angeklagten planmaessig erfolgt. Abs. 2 der genannten Bestimmung ist damit gleichfalls erfuellt.

Staatsfeindliche Zielstellung

Der Angeklagte handelte mit einer staatsfeindlichen Zielstellung.

Dies ergibt sich aus seiner Einstellung zu den gesellschaftlichen Verhaeltnissen und der mit der Weitergabe der Schriften verfolgten Absicht, Buerger auf diese Position seiner Auffassungen zu bringen. Hierzu erfolgten an anderer Steile bereits entsprechende Ausfuehrungen. Der Angeklagte hat damit die verfassungsmaessigen Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik angegriffen. Ihm ging es letztlich um eine Veraenderung bestehender verfassungsmaessig geschuetzter Verhaeltnisse, insbesondere bezueglich des sozialistischen Staates, der fuehrenden Rolle der Partei in unserer Gesellschaft und der Taetigkeit der Schutz- und Sicherheitsorgane. Dabei ist ausgehend vom Vorbringen des Angeklagten darauf hinzuweisen, dass der Tatbestand der staatsfeindlichen Hetze sich gegen feindliche Handlungen richtet, nicht aber gegen andere Auffassungen. Das Handeln des Angeklagten beinhaltet subversive, also auf die Zerstoerung und den Sturz der gesellschaftlichen Verhaeltnisse in der DDR gerichtete feindliche Angriffe. Es beinhaltet Angriffe auf den sozialistischen Staat und weitere gesellschaftliche Verhaeltnisse im Rahmen des ideologischen Kampfes mit kriminellen Mitteln, wie Verleumdungen, Veraechtlichmachen, Entstellungen und Beleidigungen. Fragen der Meinungsfreiheit haben nirgends etwas zu tun mit einer auf Zerstoerung der bestehenden Gesellschaftsordnung gerichteten Aktivitaet.

Tatbestand erfuellt

Mit der uebergabe der Schriften an andere Personen ist der Tatbestand als staatsfeindliche Hetze vollendet. Das ist in jedem einzelnen Fall geschehen.

Gemaess § 108 StGB wird ein Verbrechen der staatsfeindlichen Hetze nach § 106 StGB auch dann bestraft, wenn es gegen Staaten gerichtet ist, die mit der Deutschen Demokratischen Republik verbuendet sind. Dies trifft auf die Verbreitung der Schriften “Der Archipel Gulag”, “Menschenrechte - ein Jahrbuch fuer Osteuropa” und “Verantwortlich fuer Polen” zu. Hinsichtlich der Zielstellung sind hier die gleichen Umstaende gegeben wie vorher dargelegt.

Mitarbeit am selbstverfassten Interview von Juergen Gottschalk

Der Zeuge Gottschalk ist in anderer Sache unter anderem aufgrund der Herstellung seines fingierten Interviews wegen oeffentlicher Herabwuerdigung strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden. Dazu hat ihm der Angeklagte durch Rat und Tat Hilfe geleistet. Dabei ist es entgegen der Auffassung der Verteidigung rechtlich unbeachtlich, dass der Angeklagte es bei den Passagen des Zeugen, wie sie im Sachverhalt festgestellt wurden, beliess. Zur Erfuellung des Tatbestandes genuegt es bereits, wenn der Angeklagte immer wieder Hinweise zur konzeptionellen Gestaltung gab und den Zeugen bestaerkte, das Interview auf alle Faelle herzustellen. Unbestritten ist, dass der Angeklagte orthografische Fehler und Interpunktion korrigierte. Mit Hilfe des Angeklagten ist vom Zeugen Gottschalk die Endfassung des Interviews hergestellt worden. Das Interview ist in der Phase der Herstellung mehreren Personen zur Kenntnis gelangt, so dass oeffentlichkeit gegeben ist. Vom Inhalt her wurden die gesellschaftlichen Verhaeltnisse in der DDR und die Taetigkeit zustaendiger staatlicher Organe veraechtlich gemacht. Der Angeklagte hat somit subjektiv und objektiv den Tatbestand der Beihilfe zur oeffentlichen Herabwuerdigung gemaess §§ 220 Abs. 2, 22 Abs. 2 Ziff 3 StGB erfuellt. Deswegen ist er ebenfalls strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

Schreiben vom 9.3.1984 an Stadtbezirk Dresden-Mitte – Abteilung Inneres

Soweit der Angeklagte in seinem Schreiben vom 9.3.1984 an Stadtbezirks Dresden-Mitte u.a. behauptete, jahrzehntelang persoenlich, beruflich und politisch entwuerdigt worden zu sein, ist diese Behauptung wahrheitswidrig. Hierzu ist an anderer Stelle festgestellt worden, dass er von vielen staatlichen Stellen und betrieblichen Einrichtungen jegliche Unterstuetzung erhielt, um entsprechend seiner Ausbildung arbeiten und leben zu koennen. Aufgrund seines sehr guten Einkommens hat er sich ausgedehnte Reisen in die Sowjetunion leisten koennen und verfuegte ueber einen ueberdurchschnittlichen Lebensstandard. Seine schriftlichen aeusserungen sind geeignet, die staatliche Ordnung als Ganzes zu beeintraechtigen, da sie den Charakter einer Veraechtlichmachung beinhalten. Den Ausfuehrungen der Verteidigung, die Zweifel an der Erfuellung des Tatbestandes zum Ausdruck brachten, kann deshalb nicht gefolgt werden. Da das Schreiben auf dem Postweg den Empfaenger erreichte und dort geoeffnet wurde, ist oeffentlichkeit gegeben. Die Einlassung des Angeklagten, dass er sich entwuerdigt gefuehlt habe, ist ungeeignet eine andere rechtliche Wuerdigung zu treffen. Er hat seine Formulierungen der Wahrheit zu wider verfasst, damit sein Gesuch auf staendige Ausreise aus der DDR begruendet und somit eine oeffentliche Herabwuerdigung begangen.

Insoweit hat sich der Angeklagte subjektiv und objektiv eines Vergehens gemaess § 220 Abs. 2 StGB schuldig gemacht.

Staatsfeinliche Hetze - Tatmehrheit

Bezueglich der staatsfeindlichen Hetze hat der Angeklagte durch mehrere Handlungen dieselbe Strafrechtsnorm mehrfach verletzt. Damit ist in Tatmehrheit gemaess § 63 Abs. 2 StGB gegeben. Die strafbaren Handlungen der staatsfeindlichen Hetze sowie der Beihilfe zur oeffentlichen Herabwuerdigung und der oeffentlichen Herabwuerdigung stehen ebenfalls im Verhaeltnis der Tatmehrheit gemaess § 63 Abs. 2 StGB zueinander. Der Angeklagte hat insoweit durch Taten verschiedene Strafrechtsnormen verletzt.

Tatmehrheit

Bei der Bestrafung wegen mehrfacher Gesetzesverletzung hat das Gericht gemaess § 64 StGB eine Strafe auszusprechen, die dem Charakter und der Schwere des gesamten strafbaren Handelns angemessen und in einem der verletzten Gesetze angedroht ist. Dabei ist davon auszugehen, dass gegen die DDR gerichtete Verbrechen, wie die staatsfeindliche Hetze, eine hohe Gesellschaftsgefaehrlichkeit aufweisen. Der Angeklagte hat sich mit diesem Handeln gegen den sozialistischen Staat gewandt und dadurch die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR erheblich geschaedigt sowie im gleichen Masse die Staats- und Gesellschaftsordnung anderer sozialistischer Laender, insbesondere der Sowjetunion angegriffen. Ein solches Auftreten liegt auf der Linie der Gegner unseres sozialistischen Staates, die durch ideologische Diversion in die Laender des realen Sozialismus Zersetzung und Unzufriedenheit, Verwirrung bis hin zu konterrevolutionaeren Aktionen tragen wollen. Mit einer Verunglimpfung der Deutschen Demokratischen Republik und der Sowjetunion sollen feindliche und zersetzende Ideologien verbreitet werden. Das wiederum soll Ausgangspunkt dafuer sein, dass Buerger der Deutschen Demokratischen Republik gesetzwidrige Handlungen begehen. Gerade gegenwaertig zeigt sich, wie von bestimmten imperialistischen Kreisen versucht wird, die internationale Lage zuzuspitzen und einer Normalisierung der Beziehungen entgegenzuwirken. Die Handlungsweise des Angeklagten stellt objektiv eine Unterstuetzung derjenigen Kraefte dar, die versuchen durch Verunglimpfung der sozialistischen Verhaeltnisse dem sozialistischen Staat zu schaden und gegen den Verband dieser Staaten subversiv vorzugehen. Der Angeklagte hat sich ueber einen Zeitraum von etwa 2 Jahren hinweg schwerer Verbrechen gegen den sozialistischen deutschen Staat und gegenueber der sozialistischen Staatengemeinschaft schuldig gemacht. Er hat sich gegen den Staat gewandt, fuer dessen Ideale er vorgibt gelebt und gewirkt zu haben, den Staat, der ihm die Moeglichkeit einer seinen Wuenschen und Neigungen entsprechenden beruflichen Ausbildung gegeben hat und der ihm und seiner Familie eine gesicherte Perspektive bot.

Hohe Gesellschaftgefaehrlichkeit

Unter Beachtung der hohen Gesellschaftsgefaehrlichkeit, die sich im Umfange und in der Intensitaet des strafbaren Handelns des Angeklagten ausdrueckt, schloss sich der Senat dem Antrag des Vertreters der Bezirksstaatsanwaltschaft an und erkannte auf eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren. Insoweit keine Verurteilung wegen Beihilfe zur ungesetzlichen Verbindungsaufnahme erfolgte, ist diese Tatsache von der Wichtigkeit und Gewicht her nicht geeignet, vom beantragten Strafmass abzuweichen. Die in der Person des Angeklagten liegenden Umstaende, besonders sein ordnungsgemaesses und korrektes berufliches Wirken und, dass er nicht vorbestraft ist, konnten unter diesen Umstaenden keinen entscheidenden Einfluss auf die Strafzumessung erlangen. Die ausgesprochene Strafe entspricht der objektiven Tatschwere und der Schuld des Angeklagten. Sie war zum Schutze des Staates vor weiteren derartigen Angriffen und zu Erziehung des Angeklagten zur Achtung der Gesetzlichkeit erforderlich.

Einziehung

Da die unter Ziffer 2 des Urteiltenors im Einzelnen aufgefuehrten Schriften zu einer vorsaetzlichen Straftat benutzt wurden, waren gemaess § 56 Abs. 1 StGB einzuziehen.

Auslagementscheidung

Die Entscheidung ueber die Auslagen des Verfahrens beruht auf §§ 362, 364 StPO.

 

Hettmann          Gaek      Enzmann