Europarat: Abschiebehaft in Hamburg "inakzeptabel"
Geheimbericht: Zellen verdreckt, zuwenig Hofgang.
Anti-Folter-Komitee beklagt auch "Zensur" von Briefen und Isolation der
Häftlinge.
Von Peter Ulrich Meyer
Hamburg
Die
Bedingungen der Abschiebehaft in Hamburg entsprechen nicht den
internationalen Standards. Das Anti-Folter-Komitee des Europarats kommt
in einem bislang geheimgehaltenen Bericht zu dem Ergebnis, daß die Lage
der ausländischen Abschiebehäftlinge in der Untersuchungs-Haftanstalt
am Holstenglacis "völlig inakzeptabel" sei. Etwas besser wird die
Situation für die Abschiebehäftlinge bewertet, die im Gefängnis Fuhlsbüttel untergebracht sind.
Vom
20. November bis zum 2. Dezember 2005 hat eine fünfköpfige Delegation
des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher
oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) Gefängnisse in
Hamburg, Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen,
Schleswig-Holstein und Thüringen besucht.
Die
Delegation mit der britischen CPT-Präsidentin Silvia Casale an der
Spitze rügt die Lage in der Untersuchungs-Haftanstalt als extrem
schlecht. Die Abschiebehäftlinge seien in schmutzigen und
heruntergekommenen Zellen untergebracht. Frauen und Männer lebten
allein oder zu zweit in den Hafträumen. Sie seien 23 Stunden am Tag
eingeschlossen, während andere Länder Abschiebehäftlingen mehrere
Stunden Bewegung im Freien gewährten.
Das
CPT vermißte bei der Visite, zu der die Justizbehörde ungehindert
Zugang gewähren mußte, Bücher oder Fernsehen in den Zellen. Besonders
negativ wird in dem Geheimbericht die "systematische Zensur der
Korrespondenz" vermerkt. Es gebe keine Möglichkeit für die Häftlinge zu
telefonieren, Besuch sei nur eine halbe Stunde alle zwei Wochen
gestattet. Die schleswig-holsteinische Richtlinie zur Abschiebehaft
erlaubt dagegen den Gefangenen, mehrmals in der Woche Besuch zu
empfangen. In Gesprächen mit der Delegation klagten Gefangene über
grobe Behandlung und verbale Beschimpfungen. Konkrete Fälle nennt das CPT nicht.
In
der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel dürfen die Häftlinge bis zu drei
Stunden außerhalb ihrer Zelle verbringen. Hier sind Telefonate und
längere Besuche erlaubt. Doch auch für Fuhlsbüttel bewertet das Komitee
die Lage als "bei weitem nicht zufriedenstellend".
Das
Gesamturteil des CPT fällt negativ aus. Keine der besuchten deutschen
Haftanstalten verfüge "über die personelle oder materielle Ausstattung
zur Schaffung von Haftbedingungen, wie sie dem rechtlichen Status von
Abschiebehäftlingen angemessen" wären. "Der abschließende Bericht des CPT ist für den Sommer angekündigt. Wenn er vorliegt, werden wir ihn zu
bewerten haben und in Abhängigkeit zu den dortigen Feststellungen
gegebenenfalls reagieren", sagte Justizbehördensprecher Carsten Grote.
erschienen am 28. Februar 2006
Hamburger Beamter muß zum Rapport nach Berlin
Der vorläufige Bericht des CPT enthält für Niedersachsen und Hamburg
ausdrücklich den Rat, "mit hoher Priorität" spezielle Einrichtungen für
Abschiebehäftlinge zu schaffen. Begründung: "Normale" Gefängnisse sind für die
längerfristige Unterbringung von ausländischen Abschiebehäftlingen nicht
geeignet.
Nach Angaben von Behördensprecher Grote wird der Großteil der
Abschiebehäftlinge in Fuhlsbüttel bereits in einem abgetrennten Bereich der
Justizvollzugsanstalt untergebracht. Den Gefangenen stünden die medizinischen,
sozialpädagogischen und psychologischen Einrichtungen der Anstalt zur Verfügung.
Derzeit leben 50 männliche Abschiebehäftlinge in Fuhlsbüttel sowie drei
Männer und sechs Frauen in der Untersuchungs-Haftanstalt. Im Sommer sollen die
Kapazitäten in Fuhlsbüttel auf 98 Plätze erweitert werden. Nach
Abendblatt-Informationen wurde ein ranghoher Beamter der Justizbehörde wegen des
CPT-Berichts bereits zum Rapport in das Bundesjustizministerium zitiert.
pum
erschienen am 28. Februar 2006
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