Verbuessung einer Haftstrafe in einer Untersuchungshaftanstalt HansOLG Hamburg Beschluss vom 10.6.2005, 3 Vollz (Ws) 41/05 Tenor: 1. Die Unterbringung eines Strafgefangene in der UHA ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil in der UHA offenbar seit laengerem eine Vielzahl von Strafgefangenen Strafhaft verbuessen. Es ist Aufgabe der Justizbehoerde, in ausreichendem Umfang Haftplaetze vorzuhalten, in denen die Haft nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes vollstreckt werden kann. Wenn die Justizbehoerde dies in der Vergangenheit versaeumt haben sollte, rechtfertigt ein derartiges Organisationsverschulden es nicht, die Strafhaft dann unter Verletzung zwingender gesetzlicher Vorschriften in einer Haftanstalt zu vollstrecken, die hierfuer ungeeignet ist. 1. Die Staatskasse traegt die Kosten der Rechtsbeschwerde und die dem Beschwerdegegner insoweit entstandenen notwendigen Auslagen. Gruende I. Die Parteien streiten, nachdem der Rechtsstreit sich in der Hauptsache erledigt hat, ueber die Kosten und Auslagen des Verfahrens. Der Antragsteller/Beschwerdegegner, tuerkischer Staatsangehoeriger, wurde wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils trat er die Strafe zunaechst nicht an, so dass ein Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde. In Kenntnis dieses Umstandes kehrte er am 02.12.04 aus seinem Heimatland zurueck und stellte sich der Strafvollstreckung. Er wurde am selben Tag in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg (UHA) aufgenommen, wo er bis zu seiner Verlegung in die JVA Fuhlsbuettel im Mai 2005 verblieb. Er verbuesste dort die Haft unter den Bedingungen eines Untersuchungsgefangenen, war taeglich 23 Stunden unter Verschluss, konnte nur alle zwei Wochen fuer 30 Minuten Besuch empfangen, hatte keine Telefonerlaubnis und nicht die Moeglichkeit, Freizeit gemeinsam mit anderen Gefangenen zu verbringen. Ein Vollzugsplan wurde in dieser Zeit nicht erstellt, ein Behandlungsvollzug entsprechend den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes fand dort nicht statt. Am 10.01.05 beantragte der Strafgefangene, ihn in eine Strafvollzugsanstalt zu verlegen. Am 24.01.05 teilte ihm die Untersuchungshaftanstalt mit, sie habe Verstaendnis fuer diesen Wunsch, den auch weitere ca. 200 Strafgefangene in der UHA haetten, jedoch seien die Strafanstalten voll belegt und eine Entspannung der Situation koenne nicht verbindlich vorhergesagt werden. Ein weiteres Gesuch des Antragstellers vom 16.02.05 blieb ebenfalls ohne Erfolg. Am 03.03.05 beantragte der Strafgefangene u.a., die UHA im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn in eine nach dem Vollstreckungsplan vorgesehene Justizvollzugsanstalt zu verlegen, hilfsweise den Strafvollzug in der UHA entsprechend dem in der JVA Fuhlsbuettel zu gestalten. Die UHA beantragte, den Antrag zurueckzuweisen, weil die JVA Fuhlsbuettel, die fuer die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zustaendig sei, ueber keine freien Haftplaetze verfuege; zu einer Umgestaltung des Vollzugs sei sie nicht bzw. nur eingeschraenkt in der Lage. Die JVA Fuhlsbuettel, die die Strafvollstreckungskammer am Verfahren beteiligte, trug vor, sie sei fuer die Aufnahme des Antragstellers zustaendig, nehme auch laufend Strafgefangene aus der UHA auf, verfuege aber nicht ueber weitere freie Haftplaetze; vier freie Haftplaetze seien fuer Selbststeller reserviert. In einer damals 80 Personen umfassenden Liste von Strafgefangenen, die aus der UHA verlegt werden sollen, stehe der Antragsteller auf Position 27 und koenne daher in einigen Wochen mit seiner Verlegung rechnen. Die Beschwerdefuehrerin – Aufsichtsbehoerde der beteiligten Vollzugsanstalten - , die die Strafvollstreckungskammer ebenfalls am Verfahren beteiligte, teilte am 04.04.05 mit, sie habe die Aufnahmekriterien fuer die JVA Billwerder erweitert, so dass in Kuerze dort Gefangene aufgenommen werden koennen, die aus Platzgruenden nicht in die JVA Fuhlsbuettel verlegt werden koennen; davon werde auch der Antragsteller betroffen sein. Zu einer Verlegung des Strafgefangenen in die JVA Billwerder kam es in der Folgezeit gleichwohl nicht. Mit Beschluss vom 02.05.05 verpflichtete die Strafvollstreckungskammer im Wege der einstweiligen Anordnung, 1. die UHA, den Antragsteller binnen einer Woche in eine Justizvollzugsanstalt zu verlegen, 2. die JVA Fuhlsbuettel, den Antragsteller aufzunehmen, wenn er dorthin verlegt wird und traf 3. Anordnungen ueber die Ausgestaltung des Strafvollzuges in der UHA, falls der Antragsteller nicht binnen einer Woche verlegt werden sollte. Die Beschwerdefuehrerin legte gegen den ihr am 06.05.05 zugestellten Beschluss am 11.05.05 Rechtsbeschwerde ein und beantragte 1. den angefochtenen Beschluss aufzuheben, 2. die Antraege des Antragsteller zurueckzuweisen und 3. die Ausservollzugsetzung der angefochtenen gerichtlichen Entscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbeschwerdeverfahrens anzuordnen. Die Beschwerdefuehrerin ist der Auffassung, die Rechtsbeschwerde sei zulaessig, weil mit der angeordneten Verlegung in der Hauptsache entschieden worden sei. Die Vollstreckung der Strafhaft in der UHA sei rechtmaessig, weil sie aus zwingenden Gruenden geboten sei. Die JVA Fuhlsbuettel sei ausgelastet, die wenigen noch freien Plaetze seien fuer andere Zwecke reserviert. Die JVA Billwerder werde erst in Kuerze in groesserem Umfang fuer Insassen mit laengeren Freiheitsstrafen zur Verfuegung stehen. Bei dieser Sachlage bestehe ein dringendes Beduerfnis, Strafgefangene, die fuer den offenen Vollzug nicht in Betracht kommen, fuer eine uebergangszeit in der UHA einsitzen zu lassen, weil nur die UHA die erforderlichen Sicherheitsstandards gewaehrleiste. Dies sei auch in der Vergangenheit bei fehlenden Kapazitaeten im geschlossenen Vollzug in erheblichem Umfang so gehandhabt worden. Dass es zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung einige wenige freie Plaetze in der JVA Fuhlsbuettel gab, aendere an deren Auslastung nichts. Zum einen werden diese Plaetze fuer andere Zwecke benoetigt, zum anderen sei zu beruecksichtigen, dass eine Umsetzung des landgerichtlichen Beschlusses nahezu zwangslaeufig zur Folge haette, dass zahlreiche der 200 in der UHA einsitzenden Vollstreckungshaeftlinge sofort ebenfalls entsprechende Anordnungen erwirken werden. Dies fuehre aber zu unloesbaren Problemen. Die unter Ziff. 3 getroffenen Anordnungen des Landgerichts zur Ausgestaltung der Haft des Antragstellers seien in der UHA aus organisatorischen und raeumlichen Gruenden nicht oder nur zum Teil umsetzbar. Der Senat hat mit Beschluss vom 11.05.05 den Antrag auf Ausservollzugsetzung der landgerichtlichen Entscheidung abgelehnt weil sich aus der Beschreibung der Haftbedingungen ergibt, dass in der UHA Mindestbedingungen, die in den uebrigen Hamburger Strafvollzugsanstalten ueblich und im Sinne eines auf die Resozialisierung eines Strafgefangenen ausgerichteten Strafvollzuges zwingend erforderlich sind, nicht eingehalten werden. Der Beschwerdegegner ist daraufhin in die JVA Fuhlsbuettel verlegt worden. Die Beschwerdefuehrerin beantragt nunmehr, die Kosten des Verfahrens dem Beschwerdegegner aufzuerlegen, hilfsweise eine haelftige Kostenteilung zu beschliessen. Die Beschwerdefuehrerin haelt an ihrer Auffassung fest, dass die Unterbringung des Beschwerdegegners in der UHA rechtmaessig gewesen sei. Bereits zum Zeitpunkt der Stellung des Eilantrags sei die Verlegung des Beschwerdegegners in die JVA Fuhlsbuettel vorbereitet worden, so dass die Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung nicht bestanden habe. Der Beschwerdegegner beantragt, die Kosten des Verfahrens der Beschwerdefuehrerin aufzulegen. II. Durch die Verlegung des Beschwerdegegners in die JVA Fuhlsbuettel hat sich die Hauptsache erledigt, so dass gemaess § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG nur noch ueber die Kosten des Verfahrens zu entscheiden ist. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten der Rechtsbeschwerde und die dem Beschwerdegegner insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, denn die Rechtsbeschwerde waere ohne Eintritt der Erledigung verworfen worden. Zu Recht hat das Landgericht die Verlegung des Antragstellers in die JVA Fuhlsbuettel angeordnet. Denn die Verwahrung des Strafgefangenen in der UHA war – jedenfalls in dem hier vorliegenden zeitlichen Umfang von mehr als fuenf Monaten – rechtswidrig und verletzte den Antragsteller in seinen Rechten. 1. Die Ausgestaltung der Haft in der UHA entsprach nicht den Mindestanforderungen, die nach den zwingenden Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes an den Vollzug von Strafhaft zu stellen sind. a) Nach § 2 StVollzG soll der Gefangene im Vollzug der Freiheitsstrafe faehig werden, kuenftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu fuehren. Fuer die Gestaltung des Vollzugs stellt § 3 StVollzG zwingende Mindestgrundsaetze auf: Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhaeltnissen soweit als moeglich angeglichen werden, schaedlichen Folgen des Freiheitsentzuges ist entgegenzuwirken, der Vollzug darauf auszurichten, dass er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern. Der Gefangene soll an seiner Behandlung und an der Erreichung seines Vollzugsziels aktiv mitwirken, seine Bereitschaft hierzu geweckt und gefoerdert werden (§ 4 Abs. 1 StVollzG). Nach der Aufnahme in den Strafvollzug ist eine Behandlungsuntersuchung durchzufuehren (§ 6 StVollzG) und ein detaillierter Vollzugsplan zu erstellen (§ 7 StVollzG), der die Grundlage fuer die Ausgestaltung des weiteren Vollzuges bildet. Der Strafgefangene hat das Recht, seine Freizeit in Gemeinschaft mit anderen Gefangenen zu verbringen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 StVollzG). Das StVollzG enthaelt ferner u.a. Regelungen zum Besuch (§ 24 StVollzG), zum Fuehren von Ferngespraechen (§ 32 StVollzG) und zur Ausgestaltung der Freizeit (§ 67 StVollzG), die in Verbindung mit der jeweiligen Hausordnung in den Strafvollzugsanstalten dem Strafgefangenen im Interesse seiner Wiedereingliederung weitergehende Rechte gewaehren. b) Gegen alle diese Vorschriften hat die Unterbringung des Antragstellers in der UHA verstossen. Es hat in dieser Zeit keine Behandlungsuntersuchung stattgefunden und es ist auch kein Vollzugsplan erstellt worden. Ein Behandlungsvollzug hat nicht stattgefunden. Der Antragsteller ist – entsprechend einem Untersuchungsgefangenen – lediglich verwahrt worden. Er war 23 Stunden am Tag unter Verschluss, hatte keine Moeglichkeit, seine Freizeit zusammen mit anderen Gefangenen zu verbringen oder Telefongespraeche zufuehren; Besuche waren ihm nur in dem fuer Untersuchungsgefangene geltenden eingeschraenktem Umfang gestattet. Dass der Vollzug von Haft nach den Regeln des Strafvollzugsgesetzes in der UHA nicht moeglich ist, hat die Beschwerdefuehrerin freimuetig eingeraeumt. 2. Bei dieser Sachlage war die Verwahrung des Antragsteller in der UHA rechtswidrig. Auch aus der Allgemeinen Verfuegung vom 01.12.03 ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Verfuegung ist die UHA fuer den Vollzug von Freiheitsstrafe an maennlichen Gefangenen zustaendig, wenn wichtige Gruende einer Unterbringung in einer anderen Anstalt des geschlossenen Vollzugs entgegenstehen. Der Antragsteller selbst hat in seiner Person einen derartigen Grund nicht gesetzt. Die weitgehende Auslastung der an sich zustaendigen JVA Fuhlsbuettel stellt keinen wichtigen Grund fuer eine Verbuessung von Strafhaft in der UHA dar. Es handelt sich nicht um ein Ereignis, das fuer die Justizbehoerde unvorhersehbar war. Die Unterbringung des Antragstellers in der UHA war auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil dort offenbar seit laengerem eine Vielzahl von Strafgefangenen Strafhaft verbuessen. Es ist Aufgabe der Justizbehoerde, in ausreichendem Umfang Haftplaetze vorzuhalten, in denen die Haft nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes vollstreckt werden kann. Wenn die Justizbehoerde dies in der Vergangenheit versaeumt haben sollte, rechtfertigt ein derartiges Organisationsverschulden es nicht, die Strafhaft dann unter Verletzung zwingender gesetzlicher Vorschriften in einer Haftanstalt zu vollstrecken, die hierfuer ungeeignet ist. 3. Hinsichtlich der Kosten und Auslagen, die im Verfahren vor dem Landgericht entstanden sind, verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Landgerichts.
Bitte senden Sie Ihre Kommentare an
Rolf Schaelike |