Rechtsanwalt - in eigener
SacheAus dem
Internet
Esel in Roben - Anwälte in eigener Sache
Ein Anwalt sollte sich ernsthaft überlegen, ob es sinnvoll ist, sich bei
rechtlichen Auseinandersetzungen selbst zu vertreten.
Rechtsanwälte dürfen sich vor Gericht selbst vertreten, ausgenommen vor
dem BGH in Zivilsachen. Werden sie einer strafbaren Handlung verdächtigt,
dürfen sie sich sogar selbst verteidigen. Doch der Anwalt, der sich selbst
vertritt, tut sich damit selten einen Gefallen. Schon ein altes englisches
Sprichwort sagt: „Ein Anwalt, der sich selbst vertritt, hat einen Esel zum
Mandanten.“ Und der zahlt ihm zu allem Überfluss noch nicht einmal ein
Honorar für seine Tätigkeit. Trotzdem trifft man immer wieder auf
Rechtsanwälte, die in eigener Sache auftreten und sich dabei in der Regel
schaden. Denn ihnen fehlen zwei der wichtigsten Funktionen, die Anwälte
für ihre Mandanten ausüben: die Distanz zum Mandat und zum Rechtsproblem
sowie die Filterfunktion des Rechtsberaters.
Anwälte, die sich selbst vertreten, glauben meist, sie seien mit ihrem
Fall am besten vertraut. Kein Kollege könne ihn so gut darstellen und
beurteilen wie sie selbst. Sie erkennen nicht, dass sie sich damit um das
Know-how bringen, das sie ihren eigenen Mandanten täglich zur Verfügung
stellen und für das sie selbst bezahlt werden: die Kommunikation, den
kritischen Blick, den fachlichen Rat. Jeder Jurist, der einen Rechtsstreit
zu führen hat, steht vor dem gleichen Problem wie alle seine potenziellen
Mandanten, die den für sie richtigen Anwalt, den Spezialisten für das
konkrete Problem, suchen, der von einer Rechtsverfolgung auch abrät, wenn
er sie für aussichtslos hält, oder in der Lage ist, eine nicht abwendbare
Rechtsverteidigung in die richtigen Bahnen zu lenken.
Gefahren werden nicht erkannt
Anwälte, die sich selbst vertreten, sehen oft den Wald vor lauter
Bäumen nicht. Sie beziehen nicht selten Rechtspositionen, von denen sie
einem Dritten dringend abraten würden, und erkennen Gefahren nicht, weil
ihnen die nötige Distanz fehlt, die sie ihren Mandanten gegenüber täglich
aufbringen. Das kann sogar dazu führen, dass in ihren Augen der
Gegenanwalt an die Stelle des eigentlichen Prozessgegners tritt. Ein
Kollege, der in eigener Sache einen Zivilprozess gegen seine von ihm
geschiedene Ehefrau führte, hat einmal geschrieben, er verbitte sich, in
der Korrespondenz „mit freundlichen kollegialen Grüßen“ bedacht zu werden.
Damit hat er jegliche Gesprächsebene verlassen.
Auch juristisch vorgebildete Mandanten – wie etwa selbst zugelassene
Anwälte – sollten sich im Konfliktfall oder auch bei wichtigen
Vertragsabschlüssen durch einen Kollegen beraten und vertreten lassen. Sie
sollten sich hierfür nicht den engsten Freund auswählen, denn laut Benno
Heussen gibt es nur wenige Freundschaften, die einen Anwaltsauftrag
längerfristig überdauern (Heussen, Umgang mit Anwälten, München 1995, S.
56). Dem Stammtischbruder, dem Tennispartner fehlt nicht selten die
gleiche Distanz wie dem Anwaltsmandanten. Oder aber er muss fürchten,
seinem Freund zu nahe zu treten, wenn er dessen Rechtsansichten nicht
teilt.
Nicht nach dem Mund reden
Aus dem gleichen Grund dürfen Anwälte sich von ihren Mandanten nicht
dominieren lassen. Schlecht vertritt der Anwalt den Mandanten, dessen
Argumentation oder gar Diktion er unkritisch übernimmt. Das ist ein
häufiger Fehler von Berufsanfängern, die ein lukratives Mandat nicht
gefährden und nicht widersprechen wollen. Tatsächlich sind Mandanten nur
dann in den besten Händen, wenn der kritische Blick des Anwalts ihre
subjektiven Vorstellungen notfalls korrigiert, andere Lösungsmöglichkeiten
aufgezeigt oder sinnvolle Vergleichsmöglichkeiten diskutiert werden.
Ein Gräuel für jeden Anwalt sind Mandanten, die sich immer und stets im
Recht sehen und denen man auch gar nicht helfen kann, weil sie
anwaltlichem Rat unzugänglich sind. Auch Kollegen können so eingestellt
sein. Ebenso schwierig umzugehen ist mit Mandanten, die einen
Forderungsrechtsstreit so personalisieren, dass sie im Prozessgegner – und
nicht selten auch in dessen Anwalt – nur den Schurken sehen, der ihnen
Übles will. Der Bevollmächtigte sollte seinen Mandanten, wenn er ihn schon
nicht davon abhalten kann, keinesfalls in dieser Art der
„Rechtsverfolgung“ unterstützen.
Tabu-Prozesse
Natürlich kann man als Anwalt einen offensichtlich nicht
problembehafteten Honorarprozess auch einmal selbst führen. Keinesfalls
sollte sich ein Rechtsanwalt aber selbst in einem Zivilprozess vertreten,
in dem er wegen angeblicher Schlechterfüllung eines Anwaltsauftrags von
seinem früheren Mandanten in Regress genommen wird. Erst recht sollten
Anwälte, denen strafrechtliche oder berufsrechtliche Verfehlungen
vorgeworfen werden, zur Rechtsverteidigung einen erfahrenen Kollegen als
Verteidiger beiziehen. Denn einem mit solchen Vorwürfen konfrontierten
Anwalt fehlt nicht nur die Filterfunktion.
Bekenntnis zum Irrtum
Er kann sich auch nicht angemessen selbst darstellen und darlegen, wie
sorgfältig er sonst zu arbeiten pflegt. Oder wie peinlich es ihm ist, dass
er gerade im konkreten Fall versagt hat, dass Irren menschlich und Irrtum
daher ein Entschuldigungsgrund ist.
So, wie niemand in eigener Sache Richter sein kann, kann auch niemand in
eigener Sache anwaltlicher Berater und Vertreter sein. Und kein Kollege
sollte es einem anderen, dem er seine Vertretung anvertraut, übel nehmen,
dass er nicht kostenlos oder zu einem symbolischen Honorar arbeiten kann.
Denn ansonsten könnte dieser nicht die nötige Zeit und Aufmerksamkeit auf
das Mandat verwenden, das ihm bei einem Kollegen und damit
überdurchschnittlich kritikfähigen Mandanten besonders am Herzen liegen
wird.
RA Sieghart Ott, München
mailto:kanzlei@raeott-bauer.de
Quelle: ANWALT 11/2002
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Rolf Schälike
Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 13.05.04
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