Christopher Ray 09.08.1999 Montag der 09. August 1999. Ein Amtsgericht, irgendwo in Deutschland. Verhandlungsthema: Internet. Klaeger: Ein Sitebetreiber. Beklagter: Ein Provider. Erster Versuch des Richters: Die Zustaendigkeit des Gerichts wird angezweifelt. Hilfesuchende Blicke zum Anwalt der Beklagten. Der agiert etwas hilflos. Der Klaeger verweist auf § 32 ZPO: "Fuer Klagen aus unerlaubten Handlungen ist das Gericht zustaendig, in dessen Bezirk die Handlung begangen worden ist. Dafuer reicht es, dass eine streitgegenstaendliche Webpage in dem jeweiligen Gerichtsbezirk aufgerufen werden kann." Der Richter beugt sich widerwillig dieser Argumentation, der Beklagten-Anwalt verzichtet auf Einrede. Dann sprudelt es foermlich aus dem Richter heraus: "Ich habe keinen Computer. Ich habe auch keine Ahnung vom Internet. Bei uns hat keiner eine Ahnung vom Internet. Ich muss erst einmal eine vergleichbare Basis zu "normalen" Zivilprozessfaellen finden." Der Anwalt der Beklagten (Korrespondenzanwalt, ohne genauen ueberblick der Klage) kennt sich auch nicht aus. Er versucht, sich mit Formalien ueber die Runden zu retten. Der Klaegervertreter, kein Anwalt, aber seit 1983 im Onlinegeschaeft, versucht Richter und Gegen-Anwalt die Grundzuege des Internets in bildhaften Beispielen aus deren ueblicher Umgebung zu erschliessen. Durch mehrere Klagen aus den letzten 15 Jahren in dieser Aufklaerungsarbeit geuebt, vollzieht er das mit aller Gelassenheit und dem ueblichen marginalen Erfolg. Zwar bekommt er sein Recht, aber ein uebler Nachgeschmack bleibt. Der Richter erklaert nochmals entschuldigend zum Abschluss: "Wir Richter und die Staatsanwaltschaft bewegen uns bei allen Klagen, die mit dem Internet zu tun haben, auf total fremdem Gebiet." Dann erwaehnt er einen Kollegen, der als Einziger etwas von dem Medium versteht. Der Klaegervertreter schmunzelt und spart sich einen Kommentar. Hat er doch Monate vorher gut zwei Stunden mit dem zitierten Richter im gleichen Verhandlungsraum gesessen und einen "Vortrag" ueber das Internet gehalten. Auf Bitte des Richters. Denn der sagte damals: "Vom Internet hat in unserem Gerichtsbezirk kein Staatsanwalt und kein Richter auch nur den Hauch einer Ahnung..."
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Rolf Schaelike |