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Ich bin endlich wer - ein angesehener Rechtsanwalt

Vorlesung eines angesehenen Hamburger Rechtsanwaltes
am Tag des Offenen Wortes  -  Fachhochschule ....

von Rolf Schaelike - Mai 2004

 

Meine Damen und Herren,

heute bin ich ehrlich. Nutzt die Gelegenheit und lernt von mir.

Aber bitte keine Notizen.

Alle Bleistifte, Kugelschreiber, Fuellfederhalter, Papier und Hefte bitte nach vorne bringen und auf den Tisch legen. Mitschneiden ist ebenfalls verboten. Alle Tontraeger bitte auch auf den Tisch. Mitschneiden greift in meine Persoenlichkeitsrechte, die durch das Grundgesetz geschuetzt sind.

Sie koennen nach der Vorlesung alles wieder zurueck erhalten.

....

Kleine Einsammel-Pause mit namentlicher Fixierung der vorlaeufig eingezogenen Gegenstaende.

....

Meine Damen und Herren, ich danke fuer ihr Verstaendnis.

Ich bin ein angesehener Hamburger Rechtsanwalt. Ich habe eine eigene Sozietaet und, wie Sie wissen, pruefe ich Studenten, bin Amtstraeger und unterrichte Recht. Ich verdiene gutes Geld.

Das wollen doch bestimmt auch Sie alle. Das werden aber nicht alle von ihnen schaffen. Trotzdem verrate ich ihnen heute einige meiner Geheimnisse.

Zunaechst bitte ich diejenigen von ihnen, die nicht Rechtsanwalt und auch nicht reich werden wollen, den Saal zu verlassen !
Diese Bitte beruht auf meinem Persoenlichkeitsrecht und dem Wunsch nach beschraenkter oeffentlichkeit, welches mir das Oberlandesgericht gewaehrt.

.......

Pause, bis die unangenehmen Typen den Saal verlassen haben.

.....

Nun zunaechst noch etwas zu meiner Person:

Ich reise oft nach Frankreich, spreche sogar etwas Franzoesisch, reise gern nach Italien, fahre einen teuren BWM und liebe schnelle und teure Autos, ich spiele Golf, segle auf der Nord- und Ostsee, tauche in der Adria, im Winter bin ich in den Alpen auf den Abfahrtspisten.

Ich kenne die Richter im Landgericht und im Oberlandesgericht. Ich bin Rechtsanwalt eines angesehenen Sportclubs und verteidige so manchen angesehenen Hamburger Kaufmann und dessen Firma. Bewege mich in den gehobenen Hamburger Kreisen.

Ich fuehle Macht und uebe diese auch gern aus. Da fuehle ich mich  wie ein Politiker, doch ohne Risiko, - das ist fuer uns Rechtsanwaelte wichtig - denn wir stehen nicht in der oeffentlichkeit und wir koennen uns gegen Fehler versichern. Die oeffentlichkeit koennen wir sogar meiden und verbieten, und das tue ich auch. Denn als unabhaengiges Organ der Rechtspflege geniessen wir Rechtsanwaelte staatlichen Schutz. Mit dieser Formulierung koennen wir vieles kaufen und verkaufen.

Die meisten Verfahren mache ich mit links. Studiere die Akten erst im Gerichtsaal. Wenn was schief laeuft, hat der Mandant immer Schuld. Hat mich nicht vorbereitet, mir Informationen vorenthalten - das werden wir in einer der naechsten Stunden an Fallbeispielen ueben. Denn die Menschen fuerchten Gerichte, zittern um ihr Geld und den ungewissen Ausgang. Im Paragrafengewirr kennen die sich nicht aus. Dafuer habe ich das Erste und das Zweite Staatsexamen und Jahre beruflicher Praxis, genauer gesagt eine Beziehungswelt aufgebaut..

Ich bin privilegiert. Habe viel freie Zeit.

Privilegiert sollen auch Sie werden, und viel freie Zeit sollen auch Sie in ihrem Beruf haben.

Es soll aber alles bleiben, wie es ist.

Unser Rechtssystem schuetzt unseren Stand, besser gesagt unseren Geldbeutel. Alles andere hat uns nicht zu interessieren.

Veraendern, genauer mehren soll sich nur mein Konto und mein Besitz. Bei Ihnen natuerlich auch, jedoch nicht zu meinen Lasten.

 

Das war bei mir nicht immer so.

Es ist auch nicht alles so schoen, wie dargelegt.

Ich bin zwar, wie Sie sehen, gross und kraeftig und wuerde behaupten sogar schoen, aber meine Nase verraet, dass ich trinke. Die Frauen denken ueber mich anders als ich es moechte. Ins Bett bekomme ich nur die falschen, die auf mein Geld und Ansehen aus sind. Meine Seele verstehen nur Frauen, die ich am liebsten zum Teufel jagen wuerde. Manchmal muss ich zu Viagra greifen.

Am besten verstehe ich mich mit Maennern meiner Art, die anderen was vorspielen und dabei Geld verdienen. In der Gesellschaft von Spielern und Gauklern - natuerlich nicht den primitiven - fuehle ich mich wohl.

Wahre Freunde habe ich keine. In meiner Sozietaet kann ich nicht alle halten. Meistens stelle ich junge Rechtsanwaelte ein - auch einige von Ihnen koennten durchaus meine Kandidaten sein -,  spaeter koennen diese sogar Partner werden. Wenn die mich erkennen, dann werden diese entweder wie ich und gruenden ihre eigene Sozietaet - zum uebernehmen der Meinigen ist es noch zu frueh -  oder wollen mit mir nichts mehr zu tun haben und verschwinden in den Staatsdienst. Manche hassen mich. Die, welche bleiben, sind nicht die besten, aber passen gut ins Team.

Aber mit all dem kann ich leben, sogar sehr gut.

Ich habe auch grosse aengste. Ich verteidige ehrbare Kaufleute, die Millionen hatten und diese dann von heut auf morgen verlieren. Das soll mir als Rechtsanwalt nicht passieren. Da muss ich laufend auf der Hut sein. Das ist wohl das Schwierigste.

Ich bin zwar versichert, das Geld kann mir nicht genommen werden. Aber den guten Ruf kann ich verlieren, und weg sind meine Freunde, die anderen Gaukler und Aufschneider. Denn diese suchen nur Erfolgsmenschen als Partner.

Ich fuerchte auch oeffentlichkeit und die Konkurrenz. Ich fuerchte Details. Ich wuerde das Internet am liebsten verbieten. oeffentlichkeit ist eine Gefahr fuer meine und unsere Existenz als Rechtsanwaelte.

Ich liebe Kampagnen ohne Inhalt. Das ist auch meine Strategie als Verteidiger. Ich muss natuerlich aufpassen und die Ehrlichen meiden oder beschwichtigen, genauer beschwindeln. Ist manchmal eine ganz schoene Gratwanderung.

Nach dem Krieg in Hamburg, in der Stadt des ehrwuerdigen Kaufmanns, geboren, war mir mein heutiger Stand nicht in die Wiege gelegt.

Wisst ihr ueberhaupt, was ein ehrwuerdiger Hamburger Kaufmann ist?

Manche greifen gleich zu Nadel und Faden und naehen sich die Hosentaschen zu, wenn denen ein Kaufmann gegenuebersteht, der sich als ein ehrwuerdiger Hamburger Kaufmann ausgibt. Ich sehe das anders. Ein ehrwuerdiger Kaufmann hat Geld und das fliesst ihm zu. Ich lenke den Fluss auf mein Konto um. Dann sind wir beide ehrwuerdig und gehoben.

Noch was ganz Wichtiges. Die Rhetorik.

Rhetorik - das wichtigste fuer einen Rechtsanwalt - war meine Staerke schon als Kind. Ich sprach gern und viel. Meine Mutter sah in mir einen kleinen Angeber, sie lag falsch. Ich wollte gross raus, raus aus unserer klein karierten armen Familie, und kam mit meiner Redekunst  in unserem altsprachlichen Gymnasium sehr gut an. Ich konnte glaenzen, den anderen die Worte im Munde verdrehen, Liebe predigen aber Hass und Ekel empfinden, mich vor Angriffen mit Gegenvorwuerfen wehren. Ich brauchte keine Details. Diese lieferten die anderen. Ich musste nur deren Worte umdrehen. Ich begriff schon in der sechsten Klasse, dass Inhalte zweitrangig sind. Die meisten scheuen Details. Moechten Sie ein Beispiel? In einer der naechsten Stunde koennen Sie das am Wort "Wahrheitsverdreher" miterleben.

Meine Taktik durchschauten nur wenige. An diesen, so ekelhaft sie mir auch waren, konnte ich ueben und diese dann vergessen. Manchmal gelang es mir, diese laecherlich zu machen und in die Wueste zu schicken. Einer verliess sogar das Gymnasium. Dass ich dahinter steckte, war nicht offensichtlich.

Ich habe schon in der Schule gelernt, das Gegenteil von dem zu sagen, was ich dachte und wollte. Ich lernte nach aussen zu glaenzen.

Ich habe zwei Jahre bei der Luftwaffe gedient, es war verlorene Zeit. Heute praesentiere ich im Internet diese zwei Jahre als Zeichen meiner deutschen Gesinnung. Ich mache damit aus Scheisse Gold.

Ja. Noch etwas zur deutschen Gesinnung. Zum Geld verdienen ist diese ganz wichtig.

Deswegen bitte ich jetzt die nichtdeutschen Studenten den Saal zu verlassen, natuerlich freiwillig. Ihr braucht euch ja meinen Scheiss nicht anzuhoeren.

.....

Kleine Pause, bis die nichtdeutschaussehenden Stundenten den Saal verlassen haben.

....

Gute Leute - Gott segne sie - rieten mir, Jura zu studieren und Rechtsanwalt zu werden. Die Paragrafen und die Juralogik, die keine ist, fand ich genial.

Ende der 60er hatte ich mein Erstes und Anfang der 70er mein Zweites Staatsexamen. Das war gut, ich lag zeitlich im positiven Trend. Ich wurde Etwas. Bloss fuer einen Doktor hatte und habe ich keine Kraft mehr.

Der Doktor kann sogar nur stoeren. Verlorene Zeit und nicht mehr zeitgemaess.

Nach dem Zweiten Examen wurde ich angestellter Rechtsanwalt in einer Hamburger Sozietaet, schon nach 2 Jahren Partner und acht Jahre spaeter uebernahm ich diese. An all die Stolpersteine und Gemeinheiten moechte ich nicht mehr denken. Der Zweck hat die Mittel geheiligt. Eure Erfahrungen muesst ihr schon selbst sammeln. Denen von ihnen, die Geld haben, stehe ich natuerlich beratend zur Verfuegung.

Ich habe mich selbstverstaendlich aufs Vertragsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht spezialisiert, denn nur da liegt das umzuleitende Geld verborgen. Zwangsweise muss ich mich auch mit dem Arbeitsrecht beschaeftigen. Denn die ehrwuerdigen Herren - und neuerdings auch Damen - haben ja Mitarbeiter, oder oft sind die Herren und Damen selbst einfache Angestellte; manchmal schlecht bezahlte Geschaeftsfuehrer. Ohne das Arbeitsrecht komme ich in diesem Fall leider nicht aus.

Als Hobby habe ich mich auch aufs Sportrecht orientiert, ohne zu ahnen, dass da viel Geld so einfach auf der Strasse liegt.

Die Profis, vor allem die auslaendischen und die schwarzen, haben keine Ahnung von unseren Rechten und Steuern. Die wollen nur spielen und denken mit ihren Millionen, sie sind Kings. Da zahlen die gern sechsstellige Betraege an Steuern nach, und, um nicht in den vermeidlichen Knast zu kommen, fuenfstellige Summen an die Rechtsanwaelte. Die wissen nicht, dass man sich mit dem Gegenrechtsanwalt abspricht. 1,5 Millionen Steuernachzahlung und 500.000,00 an die Rechtsanwaelte ist dann drin. Au, ist das schoen.

Als Rechtsanwalt berate ich natuerlich auch die Manager rechtlich. Geld bringen die Aufhebungsvertraege. Da ja jeder Aufhebungsvertrag mit Unkorrektheiten beider Seiten begruendet ist, macht es mir keine Schwierigkeiten, grosse Abfindungssummen zu verhandeln, denn mein Honorar haengt von diesem Betrag ab. Funktionaere sind heute reine Geldmanager im ueberregionalen und weltweitem Zirkus und managen natuerlich nicht ihr eigenes Geld. Es ist wie bei den Vorstaenden unserer Grossunternehmen - der Weltmarkt, der Golfplatz bestimmen die Preise.

Viele halten mich fuer dumm. Denen zeige ich es aber. Das Recht und die Richter helfen mir. Meine Mittel sind einfach - einstweilige Verfuegungen, eidesstattliche Versicherungen, Drohungen mit unendlicher Strafverfolgung, die Wahrheit verdrehen und Ausreizen aller mir bekannten juristischen Tricks. Ich nehme mich selbst als Zeuge und luege eidesstattlich. Beweisen kann das niemand. Mein Wort gilt mehr als das der Nichtjuristen. Es ist aehnlich wie mit der Polizei. Der Staat braucht uns und schuetzt uns, wir schuetzen uns gegenseitig.

Auf die Wahrheit und Sachlichkeit, geschweige denn Kompetenz kommt es nicht an. Das muessen sie mir glauben. Diese Zeit und Arbeit kann ich mir - und in Zukunft koennen sie sich - sparen.

Mir gelingt es leicht, in Urteilen mehr als 50 Luegen unterzubringen. Da sollen die Richter durchsehen? ueberlegen sie mal, wie kann der Richter bei 50 Luegen erkennen, was stimmt und was ist ausgedacht, d.h. Schwindel oder Luege? Das sind 50 Beweisantraege, viele Verhandlungstage und jeder Tag bringt mir mindestens 2.000,00 Euro - nicht als Papiergeld, aufs Konto natuerlich. Ausserdem sind die Richter ja auch bloss Menschen.

Manchmal falle ich aber auf Halunken rein. Ich habe aber die besseren Karten, denn unser Beruf ist geschuetzt, und die Justizmacht steht hinter uns.

Zu den konkreten Fallbeispielen in den naechsten Stunden.

Danke, die Auslaender und die Ehrlichen koennen wieder reinkommen.

Ihre Bleistifte, Kugelschreiber, Fuellfederhalter, Papier und Hefte sowie Tontraeger koennen sie wieder abholen. Die Namen der Besitzer stehen auf den Gegenstaenden. Diese liegen auf dem Tisch unberuehrt.

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Kleine Pause. ueberlegenes Laecheln als ob ueberhaupt nichts gewesen waere.

 

Diese Vorlesung ist nicht beweisbar.

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 10.05.04
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